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Strichfassung
 
 
03 Prolog im Himmel 
 
Raphael
Die Sonne tönt nach alter Weise                                           
In Brudersphärenwettgesang,
Und ihre vorgeschrieb`ne Reise                         
Vollendet sie mit Donnergang.
Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke,
Wenn keiner sie ergründen mag;                        
Die unbegreiflich hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
Gabriel
Und schnell und unbegreiflich schnelle
Dreht sich umher der Erde Pracht;
Es wechselt Paradieseshelle
Mit tiefer schauervoller Nacht;
Es schäumt das Meer in breiten Flüssen  
Am tiefen Grund der Felsen auf,
Und Fels und Meer wird fortgerissen
In ewig schnellem Sphärenlauf.
Michael      
Und Stürme brausen um die Wette                                       
Vom Meer auf`s Land, vom Land aufs Meer,
Und bilden wütend eine Kette                  
Der tiefen Wirkung rings umher.
Doch deine Boten, Herr, verehren                                        
Das sanfte Wandeln deines Tags.
Chor
Der Anblick gibt den Engeln Stärke,
Da keiner dich erkünden mag,
Und alle deine hohen Werke
Sind herrlich wie am ersten Tag.
Mephistopheles 
Da du, o Herr,  wieder einmal fragst,
Wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich  gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.                         
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen.
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen,
Hätt`st du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn und Welten weiß ich nichts zu sagen;
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets vom gleichen Schlag.
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.   
Ein wenig besser würd er leben,
Hätt`st du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennts Vernunft und braucht`s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mit Verlaub von Euer Gnaden,                            
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt.
Und läg er immer nur noch in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.
Der Herr
Hast du mir weiter nichts zu sagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
Mephistopheles 
Nein, Herr! Ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen;     
Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen.
Der Herr
Kennst du den Faust?
Mephistopheles 
Den Doktor? 
Der Herr
Meinen Knecht!
Mephistopheles 
Fürwahr! Er dient euch auf besond`re Weise.    
Nicht irdisch ist des Toren Trank und Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Torheit halb bewusst;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,       
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
Der Herr
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So wird` ich ihn bald in die Klarheit führen.                         
Mephistopheles 
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Dass Blut` und Frucht die künft`gen Jahre zieren.
Was wettet ihr? den sollt ihr noch verlieren,               
Wenn ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen!
Der Herr
Solang er auf der Erde lebt,
Solange sei dir`s nicht verboten.
Es irrt der Mensch, solang er strebt.
Mephistopheles 
Da dank ich euch; denn mit den Toten
Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
Der Herr
Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen musst:
Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange
Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.
Mephistopheles 
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Brust
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange!
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,  
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
 
 
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