08 Bibliothek 2 Teil 1 - faust-1-faust-2-inszenierung.com

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08 Bibliothek 2 / Teil 1
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Faust
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang,                            
Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen
Und dass ein Pudel mir entsprang?
Mephistopheles 
So gefällst du mir!
Wir werden, hoff ich, uns gut vertragen;
Faust
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen.
Und so ist mir das Dasein eine Last,.
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.
 
Mephistopheles 
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommener Gast.
Faust
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blutg`en Lorbeer`n um die Schläfe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Mädchen Armen findet!
O wär ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahingesunken!
Mephistopheles 
Und doch hat jemand einen braunen Saft,                  
In jener Nacht, nicht ausgetrunken!
Faust
Das Spionieren, scheint`s, ist deine Lust.
Mephistopheles 
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.
Faust
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß-bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock - und Gaukelwerk umspannt
Und sie in diese Trauerhöhle
Mit Blend - und Schmeichelkräften bannt!
Faust
Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Verflucht, was uns in Träumen heuchelt,
Der Ruhms, der Namensdauer Trug!
Mephistopheles 
Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der wie ein Geier dir am Leben frisst!                        
Die schlechteste Gesellschaft lässt dich fühlen,
Dass du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist`s nicht gemeint,
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du mit mir vereint
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir`s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
Faust
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
Mephistopheles 
Dazu hast du noch eine lange Frist.
Faust
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus!
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
Mephistopheles 
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
So sollst du mir das Gleiche tun.
Faust
Das Drüben kann mich wenig kümmern;
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,                           
Die andre mag darnach entstehen.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,          
Ob man auch künftig hasst und liebt
Und ob es auch in jenen Sphären
Ein Oben und ein Unten gibt.
Mephistopheles 
In diesem Sinne kannst du`s wagen.
Verbinde dich! du sollst in diesen Tagen                              
Mit Freuden meine Künste sehn;
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
Faust
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist in seinem hohen Streben          
Von deinesgleichen je gefasst?                                             
Doch hast du Speise, die nicht sättigt? Hast                                  
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt?
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt?
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbarn sich verbindet?
Der Ehre schöne Götterlust,
Die wie ein Meteor verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!
Mephistopheles 
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.
Faust
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Dass ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuss betrügen -
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
Mephistopheles 
Topp!
Faust
Und Schlag auf Schlag!
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,                                            
Es sei die Zeit für mich vorbei!
Mephistopheles 
Bedenk es wohl! wir werden`s nicht vergessen.
Faust
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,                                                    
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
Mephistopheles 
Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir nur ein paar Zeilen aus. 
Faust
Auch was Geschriebenes forderst du Pedant?                                                           
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Was willst du böser Geist von mir?
Mephistopheles 
Wie magst du deine Rederei
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.              
Blut ist ein ganz besond`rer Saft.
Faust
Nur keine Furcht, dass ich dies Bündnis breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist gerade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
In deinen Rang gehör ich nur,
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur.
Des Denkens Faden ist zerrissen,
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuss,
Gelingen uns Verdruss
Miteinander wechseln, wie es kann:
Nur rastlos betätigt sich der Mann.
Mephistopheles 
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
Beliebt`s euch, überall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm euch wohl, was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blöde!      
Faust
Du hörest ja: von Freud ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichen Genuß,
Verliebten Hass, erquickenden Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem Inneren genießen,
Mit meinem Geist das Höchst` und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern
Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern!
Mephistopheles 
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Dass von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!                           
Glaub unsereinem: dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew`gen Glanze,                       
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht.
Faust
Allein ich will!
Mephistopheles 
Das lässt sich hören!
Faust
Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
Mephistopheles 
Du bist am Ende - was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,                                 
Du bleibst doch immer, was du bist.
Faust
Ich fühl`s, vergebens hab ich alle Schätze
Des Menschengeist auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niederwetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
Bin dem Unendlichen nicht näher.
Mephistopheles 
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheiter machen,
Faust
Wie fangen wir das an?
Mephistopheles 
Wir gehen eben fort.
Was ist das für ein Marterort!
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich um die Jungens ennuyieren!                                         
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen. -
Gleich hör ich einen auf dem Gange!
Faust
Mir ist`s nicht möglich, ihn zu sehen.
Mephistopheles 
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze!
Die Maske muss mir köstlich stehn.
Mephistopheles 
Ich brauch nur ein Viertelstündchen Zeit;
 
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,                                    
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor giergen Lippen schweben,
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn;
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müsste doch zugrunde gehn!
Schüler
Ich bin allhier erst kurze Zeit
Und komme voll Ergebenheit,
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,          
Den alle mir mit Ehrfurcht nennen.
Mephistopheles 
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch sonst schon umgetan?
Schüler
Ich bitt euch, nehmt euch meiner an!
Mephistopheles 
Da seid ihr eben recht am Ort.
Schüler
Aufrichtig, möchte schon wieder fort:
Und in den Sälen, auf den Bänken
Vergeht mir Hören, Sehn und Denken.
Mephistopheles 
Das kommt nur auf Gewohnheit an.
Schüler
An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;
Doch sagt mir nur: wie kann ich hingelangen?
Mephistopheles 
Was wählt ihr für eine Fakultät?
Schüler
Ich wünschte recht gelehrt zu werden,
Und möchte gern, was auf der Erden
Und in dem Himmel ist, erfassen,
Die Wissenschaft und die Natur.
Mephistopheles 
Da seid ihr auf der rechten Spur;
Schüler
Ich bin dabei mit Seel und Leib;
Mephistopheles 
Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen!
Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.
Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben,
Sucht erst den Geist herauszutreiben,
Dann hat er die Teile in seiner Hand,
Fehlt, leider! Nur das geistige Band.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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