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Faust 2015 > Ebene 37 Klassische Walpurgisnacht
37 Klassische Walpurgisnacht / 2
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Chiron
Sitz auf! So kann ich nach Belieben fragen:
Wohin des Wegs? Du stehst am Ufer hier,
Ich bin bereit, dich durch den Fluß zu tragen.
 
Die Hufschläge werden wieder aufgenommen, allerdings wesentlich leiser als zuvor.
 
Faust
Du hast die Größten deiner Zeit geseh´n,
Doch unter den heroischen Gestalten
Wen hast du für den Tüchtigsten gehalten?
 
Die Verse des Chiron kommen sehr kurzatmig. 
 
Chiron
Im hehren Argonautenkreise
War jeder brav nach seiner eignen Weise,          
Die Dioskuren haben stets gesiegt,
Dann Orpheus: zart und immer still bedächtig,
Schlug er die Leier, allen übermächtig.
Scharfsichtig Lynkeus, der bei Tag und Nacht
Das heil´ge Schiff durch Klipp und Strand gebracht.
 
Der Ritt wird wüster und entsprechend die Lautstärke der Hufschläge. Eine kurze Pause bzw. Unterbrechung des Gespräches erfolgt. Faust reitet auf Chiron über die Bühne hin und her.
 
Faust
Vom schönsten Mann hast du gesprochen,
Nun sprich auch von der schönsten Frau!
 
Chiron
Was! - Frauenschönheit will nichts heißen,
Ist gar zu oft ein starres Bild;
Nur solch ein Wesen kann ich preisen,
Das froh und lebenslustig quillt.                                 
Die Schöne bleibt sich selber selig;
Die Anmut macht unwiderstehlich,
Wie Helena, da ich sie trug.                                          
 
Faust
Du trugst sie?
 
Chiron
Ja, auf diesem Rücken.
 
Während der nächsten Verse läuft Chiron über die Bücke, bleibt auf ihr stehen und Faust sieht im Wasser das Bild Margarethes sich spiegeln. Faust ist verzückt und greift nach der Erscheinung, muss sich aber schnell wieder in der Mähne des Pferdes festhalten, um nicht in das Wasser zu fallen. Der Ritt geht weiter und das Bild verschwindet.
 
Chiron
Sie fasste so mich in das Haar,
Wie du es tust.
 
Faust
O ganz und gar
Verlier ich mich! Erzähle, wie?
Sie ist mein einziges Begehren!
Woher, wohin, ach! Trugst du sie?
 
Chirons Bericht mündet ebenso wir zuvor die Verse der Nymphen im Rhythmus der Hufschläge, die entsprechend der sich steigernden Begeisterung des Chiron stärker und lauter werden.
 
Chiron
Die Frage lässt sich leicht gewähren.
Die Dioskuren hatten jener Zeit                                  
Das Schwesterchen aus Räuberhand befreit.
 
Die Hufschläge verstummen, was bedeutet, dass Chiron derart ins Schwärmen gerät und verträumt stehen bleibt. Die Stimme des Chiron ändert sich in eine andere Tonlage.
 
Chiron
Die Brüder wateten, ich patschte, schwamm hinüber;
Da sprang sie ab und streichelte
Die feuchte Mähne, schmeichelte
Und dankte lieblich-klug und selbstbewusst.
Wie war sie reizend! Jung, des Alten Lust!
 
Chiron mit Faust sind an der Bühnenrampe angekommen. Die Bühne verwandelt sich, indem ein schwarzer Vorhang die Nymphen verdeckt. Der Bühnenboden schiebt sich zusammen, so dass er wie zu Beginn der „Klassischen Walpurgisnacht“ wieder eine durchgehende Ebene ist. 
 
Faust
Das ewige Wesen, Göttern ebenbürtig,
So groß als zart, so hehr als liebenswürdig?
Du sahst sie einst, heut hab ich sie gesehn,                 
So schön wie reizend, wie ersehnt so schön!
Nun ist mein Sinn, mein Wesen streng umfangen:
Ich lebe nicht, kann ich sie nicht erlangen.
 
Chiron
Mein fremder Mann, als Mensch bist du entzückt;
Doch unter Geistern scheinst du wohl verrückt.
Nun trifft sich´s hier zu deinem Glücke;
Denn alle Jahr, nur wenig Augenblicke,
Pfleg ich bei Manto vorzutreten,                                  
 
Szenenbild 12
Manto befindet in einem fiktiven Gebäude, das durch mehrere Kuben gebildet wird. Sie ist vorerst unsichtbar. Ihre Stimme kommt aus ihrer Behausung. Erst im Laufe der Gespräche erscheint sie als Projektion innerhalb der Kubenkonstruktion.
Faust
Geheilt will ich nicht sein.
 
Chiron
Geschwind herab.  Wir sind zur Stelle.     
 
Faust beugt sich herab und das Schütteln Chirons befiehlt Faust, abzusteigen. Auf diesen Befehl springt Faust ab und stellt sich ein wenig seitlich vor Manto.
 
Manto
Von Pferdes Hufe
Erklingt die heilige Stufe,
Halbgötter treten heran.
 
Chiron
Ganz recht!
Nur die Augen aufgetan!
 
Manto
Willkommen!
Streifst du noch immer unermüdet?
 
Chiron
Wohnst du noch immer still umfriedest,
Indes zu kreisen mich erfreut.
 
 
Manto
Ich harre, mich umkreist die Zeit. -
Und dieser?
 
Chiron
Helenen, mit verrückten Sinnen,
Helenen will er sich gewinnen
Und weiß nicht, wie und wo beginnen:
 
Chiron verschwindet in der Seitenbühne.
 
Manto
Den lieb ich, der Unmögliches begehrt.
Tritt ein, Verwegner, sollst dich freuen!             
 
Das Bild Mantos verblasst und entschwindet. In der Öffnung ihres „Gebäudes“ erscheint die
Glasplatte, auf der Faust und Mephistopheles zu Beginn der „Klassischen Walpurgisnacht“ eingeschwebt kamen. Faust betritt die Platte.
Während die Bühne sich verdunkelt, schwebt Faust auf der Glasplatte in den Sternenhimmel davon und das nachfolgende Intermezzo beginnt.
Mit diesem Bild endet die Suche nach Helena. Viel zu abrupt, denn Goethe lässt jetzt völlig offen, wie der Übergang zum eigentlichen Helenaakt erfolgt. Alles weitere Geschehen wie die Verwandlung Mephistopheles in Porkyas und der zweite Abschnitt der „Klassischen Walpurgisnacht“, die „Felsbuchten“, haben mit Faust-Helena ursächlich nichts gemein.
 
Intermezzo    Margarethe-Helena im Mond
 
Szenenbild 13
Das Bild Margarethe-Helenas erscheint als riesiges Foto in der weiß leuchtenden Mondscheibe am Horizontvorhang Nur die Amorstatue steht unverändert am gleichen Platz.
Das Bild verblasst schnell in der hellen Mondscheibe und verschwindet. 
Pharsalische Felder / Am oberen Peneios         
 
Szenenbild 14
Das Portrait des Seismos entsteht als riesige Projektion aus dem Dunkel kommend, stetig heller werdend, auf der Horizontleinwand. Seine Stimme kommt aus der Tiefe des Bühnenbodens. Die Bühne ist noch kalt und leer. Das Erdbeben wird durch entsprechende Geräuschkulisse angekündigt, die dem Text des Seismos untermalt wird.
Die beiden Greife flattern aufgeregt in die Höhe und verharren schwebend am rechten Bereich des Himmelshintergrundes. Vor Angst verliert jeder einen Haufen, der mit lautem Klatschen auf die Bühne fällt. Die Sphinxe sind ebenfalls auf der linken Bühnenseite zusammengerückt und schützen sich gegenseitig.
Seismos
Einmal noch mit Kraft geschoben,
Mit den Schultern brav gehoben!
So gelangen wir nach oben,
Wo uns alles weichen muss.
 
Sphinxe
Welch ein widerwärtig Zittern,
Hässlich grausenhaftes Wittern!
Welch unleidlicher Verdruss!
Doch wir ändern nicht die Stelle,
Bräche los die ganze Hölle.     
 
Szenenbild 15
Zum Erdbeben kommt ein Vulkanausbruch als projizierte Stichflamme. Wieder flattern die Greife und die Sphinxe versuchen sich zu verkriechen. Die Amorstatue ist umgestürzt.
Das Epizentrum des Erdbebens erscheint als großflächige Projektion auf dem Bühnenboden. Parallel dazu verschwindet der Vulkanausbruch.
Szenenbild 16
Das Erdbeben hat sich beruhigt und die Greife und Sphinxe kommen wieder näher an das Bühnenzentrum heran und kommentieren das Treiben der Ameisen, die aus den Erdspalten ans Tageslicht krabbeln. Die Ameisen wachsen, nachdem sie die Erdspalten verlassen haben, zu großen Monstern und bevölkern den Bühnenhintergrund. Ihre Stimmen: zwitscherndes Gemurmel. 
Greife
Gold in Blättchen, Gold in Flittern                             
Durch die Ritzen seh ich zittern.
Lasst euch solchen Schatz nicht rauben!
Imsen, auf! es auszuklauben.
 
Chor der Ameisen         
In solchen Ritzen
Ist jedes Bröselein
Wert zu besitzen.
Allemsig müsst ihr sein,                                                       
Ihr Wimmelscharen;
Nur mit dem Gold herein!
Den Berg lasst fahren!                     
 
Greife
Herein! Herein! Nur Gold zu Hauf,
Wir legen unsere Klauen drauf;
 
Szenenbild 17
Der Berg ist auf dem hinteren Projektionsvorhang als Linienzug entstanden. Er wird symbolisiert durch ein rechtwinkliges Dreieck, den „Satz des Thales“. , in dem es heißt, dass
dass alle Winkel auf einem Halbkreisbogen rechte Winkel sein müssen.
Der vordere Bereich des Epizentrums bricht ab und aus dem Bruch treten die Pygmäen heraus, kostümiert als simple Gartenzwerge. Die Pygmäen entsprechen dem Auftritt der Gnome im „Mummenschanz – Szenenbild 13“. Die Wiedererkennung dieser Zwerggestalten bedeutet, dass Faust, der nach wie vor im Krankenbett liegt und in diesem Szenenbild heller beleuchtet ist als zuvor, sich im Traum an einen vorhergehenden Traum erinnert und die Pygmäen als die gleichen Gestalten sieht, wie einst die Gnome. Die Pygmäen-Älteste, eine Gartenzwergin von obszöner Gestalt, hat eine kreischende Stimme, die mit starkem Nachhall durch das Theater hallt.
Pygmäen              
Fraget nicht, woher wir kommen;
Denn wir sind nun einmal da!
 
Pygmäen-Älteste
Ihr Imsen alle,
Rührig im Schwalle,
Schafft uns Metalle!
Schafft uns Metalle!
Schafft uns Metalle!
Schafft uns Metalle!
Schafft uns Metalle!
Schafft uns Metalle!
Schafft uns Metalle!
 
Szenenbild 18
Mephistopheles kommt stolpernd aus der rechten Nebenbühne und läuft auf den neu entstandenen Berg zu. Er wird verfolgt von einer Schar Lamien, blutgierigen Vampiren, die in verführerischen Gestalten ihre Opfer anlocken. Sie haben es auf Mephistopheles abgesehen. Die acht Lamien sind Prostituierte in roten Leder- bzw. Latexkleidern, deren Oberste, die Empuse, als Domina erscheint. Empuse hebt sich von den anderen durch die Farbe ihre Kleidung ab.
 
Mephistopheles   
Die nordischen Hexen wusst ich wohl zu meistern,
Mir wird`s nicht just mit diesen fremden Geistern.                
 
Die Lamien umkreisen Mephistopheles und treiben ihn, durcheinander sprechend, in die Enge. Ihre Aussprache ist eher sanft und einschmeichelnd und steht im Widerspruch zu ihrem Äußeren. Er erschrickt sichtlich, nimmt die Bedrohung aber noch nicht ernst. Er stampft mit dem Fuß lautstark auf, so dass die Lamien erschrocken flüchten, aber schnell wieder zurückkommen.
 
Lamien                
Geschwind! Geschwinder!
Und immer weiter!
Es ist so heiter,
Den alten Sünder
Uns nach zu ziehen
Zu schwerer Buße.
Mit starrem Fuße                                                                          
Kommt er geholpert,
Einhergestoplpert;
Er schleppt das Bein,
Wie wir ihn fliehen,
Uns hinterdrein.
 
Vier der Lamien kriechen zu Mephistopheles und versuchen, an seinen Beinen in Richtung seines Geschlechtsteiles empor zu greifen, so dass sich Mephistopheles einer sexuellen Erregung  nicht erwehren kann. Vorsichtig wehrt er sich, Genuss und Bedrohung mischen sich in seinen Gefühlen. Er greift nach ihnen und bei jeder Berührung erschlafft der Körper der Lamie. Ist die Berührung beendet, strafft sich ihr Körper in die alte verführerische Schönheit. Dazu passt der Kommentar: „morsch in allen Glieder“
 
Mephistopheles   
Wo man sie anfasst, morsch in allen Gliedern.
Man weiß, man sieht`s, man kann es greifen,
Und dennoch tanzt man, wenn die Luder pfeifen!
 
Lamien                
Halt! Er besinnt sich, zaudert, steht;
Entgegnet ihm, dass er euch nicht entgeht!                            
 
Wieder hängen vier Lamien an ihm und erregen seine Sexualität im höchsten Grade, so dass er kurz vor einem Orgasmus ist.
 
Mephistopheles   
Denn wenn es keine Hexen gäbe,
Wer Teufel möchte Teufel sein!
 
Lamien                
Kreisen wir um diesen Helden!
Liebe wird in seinem Herzen
Sich gewiss für eine melden.
 
Mephistopheles   
Zwar bei ungewissem Schimmer
Scheint ihr hübsche Frauenzimmer,
Und so möcht ich euch nicht schelten.
 
Empuse schiebt die Mephistopheles umringenden Lamien beiseite und versucht, sich an den Mann heran zu machen. Die Lamien schimpfen und wehren sich.
 
Lamien                
Die ist in unserm Kreis zuviel,
Verdirbt doch immer unser Spiel.
 
Empuse lässt sich nicht vertreiben und greift Mephistopheles hart mit einer Hand an der rechten Schultern und versucht, sein Geschlecht in die linke Hand zu bekommen. Auch seinen Hals versucht sie zu küssen, dass ein möglichst großer Knutschfleck bleibt. Da das nicht gelingen will, lallt sie ihre vier Verszeilen dem Mephistopheles ins Ohr.
Empuse
Begrüßt von Mühmichen Empuse,
Der Trauten mit dem Eselsfuße!
Du hast nur einen Pferdefuß,
Und doch, Herr Vetter, schönsten Gruß!
 
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