39 Helena und Faust Teil 1 - faust-1-faust-2-inszenierung.com

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39 Helena und Faust / Teil 1
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Helena
Wo bist du, Pytonissa?
Gingst etwa du, dem wunderbaren Heldenherrn
Mich anzukündigen, Wohlempfang bereitend mir,
So habe Dank und führe schnell mich ein zu ihm!
Phantalis 
Sich hin und her bewegend, viele Dienerschaft;
Vornehm-willkommen Gastempfang verkündet es.
Chor
Was tragen sie nur?
Würdig, o würdig, dreifach würdig
Sei gesegnet ein solcher Empfang!

Faust
Hier knie nieder, dieser höchsten Frau
Bekenntnis abzulegen deiner Schuld!
Du kommst heran, er meldet`s nicht;
Freventlich verwirkt
Das Leben hat er, läge schon im Blut
Verdienten Todes; doch nur du allein
Bestrafst, begnadigst, wie dir`s wohlgefällt.
Helena
So hohe Würde, wie du sie vergönnst,
Als Richterin, als Herrscherin, und wärs                    
Versuchend nur, wie ich vermuten darf -
So üb ich nun des Richters erste Pflicht:
Beschuldigte zu hören. Rede denn!
Lynkeus 
Lass mich knien, lass mich schauen,
Lass mich sterben, lass mich leben,
Denn schon bin ich hingegeben
11/09 Dieser gottgegebnen Frauen!
Harrend auf des Morgens Wonne,
Östlich spähend ihren Lauf,
Ging auf einmal mir die Sonne
Wunderbar im Süden auf.
Zog den Blick nach jener Seite,
Statt der Schluchten, statt der Höhn,
Statt der Erd- und Himmelsweite
Sie, die Einzige, zu spähn.
Nebel schwanken, Nebel schwinden,
Solche Göttin tritt hervor!
Diese Schönheit, wie sie blendet,
Ich vergaß des Wächters Pflichten,
Drohe nur, mich zu vernichten!
Schönheit bändigt allen Zorn.
Helena
Das Übel, das ich brachte, darf ich nicht
Bestrafen. Wehe mir! Welch streng Geschick
Entferne diesen Guten, lass ihn frei!
Den Gottbetörten treffe keine Schmach!
Faust
Was bin ich nun? Auf einmal machst du mir
Rebellisch die Getreusten, meine Mauern
Unsicher. Also fürcht ich schon: mein Heer
Gehorcht der siegend unbesiegten Frau.
Was bleibt mir übrig, als mich selbst und alles,
Im Wahn das Meine, dir anheim zu geben?
Zu deinen Füßen lass mich, frei und treu,
Dich Herrin, anerkennen, die sogleich
auftretend sich Besitz und Thron erwarb!
Helena
Ich wünsche dich zu sprechen.
Faust
Erst kniend lass die treue Widmung dir gefallen, hohe Frau! 
Helena
Erstaunen trifft mich, fragen möcht ich viel.
Doch wünscht ich Unterricht, warum die Rede           
Des Manns mir seltsam klang, seltsam und freundlich.
Ein Ton scheint sich dem andern zu bequemen,
Und hat ein Wort zum Ohre sich gesellt,
Ein andres kommt, dem ersten zu liebkosen.
Faust
Gefällt dir schon die Sprechart unsrer Völker,
O so gewiss entzückt auch der Gesang,
Befriedigt Ohr und Sinn im tiefsten Grunde.
Doch ist am sichersten, wir üben`s gleich:
Die Wechselrede lockt es, ruft`s hervor.
Helena
So sage denn: wie sprech ich auch so schön?
Faust
Das ist gar leicht: Es muss von Herzen gehn!                                
Und wenn die Brust von Sehnsucht überfließt,
Man sieht sich um und fragt -
Helena
Wer mitgenießt.
Faust
Nun schaut der Geist nicht vorwärts, nicht zurück;
Die Gegenwart allein –
Helena
Ist unser Glück.
Faust
Schatz ist sie, Hochgewinn, Besitz und Pfand;
Bestätigung, wer gibt sie?
Helena
Meine Hand.
Lynkeus 
Du siehst mich, Königin, zurück!
Zu deinen Füßen sei gebracht
Die Ernte mancher blut`gen Schlacht.
Denn du bestiegest kaum den Thron,
So neigen schon, so beugen schon
Verstand und Reichtum und Gewalt
Sich vor der einzigen Gestalt.
Faust
Entferne schnell die kühn erworbne Last,
Zwar nicht getadelt, aber unbelohnt!
Schon ist ihr alles eigen, was die Burg
Im Schoß verbirgt. 
Lynkeus 
Herrscht doch über Gut und Blut
Dieser Schönheit Übermut.                                         
Schon das ganze Heer ist zahm,
Alle Schwerter stumpf und lahm,
Vor der herrlichen Gestalt.
Chor
Wer verdächt es unsrer Fürstin,
Gönnet sie dem Herrn der Burg
Freundliches Erzeigen?
Denn gesteht: sämtlich sind wir
Frau`n, gewöhnt an Männerliebe,
Wählerinnen sind sie nicht,
Aber Kennerinnen.
Helena
Ich fühle mich so fern und doch so nah,   
Und sage nur zu gern: da bin ich! Da!
Faust
Ich atme kaum, mir zittert, stockt das Wort
Es ist ein Traum, verschwunden Tag und Ort.
Helena
Ich scheine mir verlebt und doch so neu,
In dich verwebt, dem Unbekannten treu.
Faust
Durchgrüble nicht das einzigste Geschick!
Dasein ist Pflicht, und wär`s ein Augenblick.
Phorkyas 
Buchstabiert in Liebesfibeln,
Tändelnd grübelt nur am Liebeln,                                        
Müßig liebet fort im Grübeln!
Doch dazu ist keine Zeit.
Hört nur die Trompete schmettern,
Das Verderben ist nicht weit.
Menelas mitVolkeswogen
Kommt auf euch herangezogen;
Rüstet euch zu herbem Streit!
Faust
Verweg`ne Störung! Widerwärtig dringt sie ein;                   
Du häßlichste gar, nur schlimme Botschaft bringst du gern.
Doch diesmal soll dirs nicht geraten; Leeren Hauchs  
Erschüttere du die Lüfte. Hier ist nicht Gefahr.
Nur der verdient die Gunst der Frauen,
Der kräftig sie zu schützen weiß.
Chor
Wer die Schönste für sich begehrt,
Tüchtig vor allen Dingen
Seh er nach Waffen weise sich um!
Denn wer entreißt sie jetzt
Dem gewaltigen Besitzer?
Ihm gehört sie, ihm sei sie gegönnt,
Doppelt von uns gegönnt-
Faust
Ein jeder ist an seinem Platz unsterblich:                             
Sie sind zufrieden und gesund.
Und so entwickelt sich am reinen Tage
Zu Vaterkraft das holde Kind.
Wir staunen drob; noch immer bleibt die Frage:
Obs Götter, ob es Menschen sind!                                                                                                                    So ist es mir, so ist es dir gelungen;
Vergangenheit sei hinter uns getan!
O fühle dich vom höchsten Gott entsprungen!             
Phorkyas 
Wie lange Zeit die Mädchen schlafen, weiß ich nicht;
Ob sie sich träumen ließen, was ich hell und klar
Vor Augen sah, ist ebenfalls mir unbekannt.
Drum weck ich sie.
Hervor! Hervor! Und schüttelt eure Locken rasch!
Schlaf aus den Augen! Blinzt nicht so und hört mich an!
Chor
Rede nur! Erzähl, was sich Wunderlichs begeben!
Hören möchten wir am liebsten, was wir gar nicht glauben können;
Denn wir haben lange Weile, diese Felsen anzuschaun.
Phorkyas 
Kaum die Augen ausgerieben, Kinder, langeweilt ihr schon?
So vernehmt! In diesen Höhlen, diesen Grotten, diesen Lauben
Schutz und Schirmung war verliehen, wie idyllischem Liebespaare,
Unserm Herrn und unsrer Frauen.
Chor
Wie? da drinnen?
Phorkyas 
Höret allerliebste Klänge,
Macht euch schnell von Fabeln frei!                  
Fordern wir doch höhern Zoll:
Denn es muss von Herzen gehen,
Was auf Herzen wirken soll.
Chor
Bist du, fürchterliches Wesen,
Diesem Schmeichelton geneigt,
Fühlen wir, als frisch genesen,
Uns zur Tränenlust erweicht.
Lass der Sonne Glanz verschwinden,
Wenn es in der Seele tagt;
Wir im eignen Herzen finden,
Was die ganze Welt versagt.
Welche Märchen spinnst du ab!
Phorkyas 
Doch auf einmal ein Gelächter echot in den Höhlenräumen;
Schau ich hin, da springt ein Knabe von der Frauen Schoß zum Manne,
Von dem Vater zu der Mutter! Das Gekose, das Getändel,
Töriger Liebe Neckereien, Scherzgeschrei und Lustgejauchze
Wechselnd übertäuben mich.
Nackt, ein Genius ohne Flügel,
Springt er auf den festen Boden; doch der Boden gegenwirkend,
Schnellt ihn zu der luftg`en Höhe, und im zweiten, dritten Sprunge
Rührt er an das Hochgewölb.
Ängstlich ruft die Mutter: „Springe wiederholt und nach Belieben,
Aber hüte dich zu fliegen! Freier Flug ist dir versagt.“
Doch auf einmal in der Spalte rauer Schlucht ist er verschwunden,
Und nun scheint er uns verloren. Mutter jammert, Vater tröstet,
Doch nun wieder welch Erscheinen!
In der Hand die gold`ne Leier, völlig wie ein kleiner Phöbus,
Tritt er wohlgemut zur Kante, zu dem Überhang; wir staunen.
Euphorion 
Seht ihr mich im Takte springen,
Hüpft euch elterlich das Herz.
Helena
Liebe, menschlich zu beglücken,
Nähert sie ein edles Zwei;                                  
Doch zu göttlichem Entzücken
Bildet sie ein köstlich Drei.
Faust
Ich bin dein, und du bist mein;
Und so stehen wir verbunden,
Dürft es doch nicht anders sein!      
Chor
Wohlgefallen vieler Jahre
O wie rührt mich der Verein!
Euphorion 
Nun lasst mich hüpfen,                                                        
Nun lasst mich springen!
Zu allen Lüften
Hinaufzudringen,
Ist mir Begierde;
Sie fasst mich schon.
Faust
Nur mäßig! Mäßig!
Nicht ins Verwegne,
Dass Sturz und Unfall
Dir nicht begegne,
Zugrund uns richte
Der teure Sohn!
Euphorion 
Ich will nicht länger
Am Boden stocken;
Lasst meine Hände,
Lasst meine Locken,
Lasst meine Kleider!
Sie sind ja mein.
Helena
O denk! O denke,
Wem du gehörest!
Wie es uns kränke,
Wie du zerstörest
Das schön errungene
Mein, Dein und Sein.
Chor
Bald löst, ich fürchte,
Sich der Verein!
Helena und Faust
Bändige! bändige
Eltern zuliebe,
Überlebendige,
Heftige Triebe!
Euphorion 
Nur euch zu Willen
Halt ich mich an.
 
Ist nun die Melodie,
Ist die Bewegung recht?
Helena
Ja, das ist wohlgetan!
Faust
Wäre das doch vorbei!
Mich kann die Gaukelei
Gar nicht erfreun.
Helena und Faust
Welch ein Mutwill! Welch ein Rasen!                         
Keine Mäßigung ist zu hoffen.
Welch ein Unfug! Welch Geschrei!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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