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Strichfassung
 
 
46 Die Todeszelle 2
 
Faust
Hier wohnt sie, hinter dieser feuchten Mauer,
Und ihr Verbrechen war nur ein guter Wahn!
Du zauderst, zu ihr zu gehen?
Du fürchtest, sie wiederzusehen?
Sie ahnet nicht, dass der Geliebte lauscht,
Die Ketten klirren hört, das Stroh, das rauscht.
Margarethe
Weh! weh! sie kommen. Bittrer Tod!
Faust
Still! still! ich komme, dich zu befreien.
Margarethe
Bist du ein Mensch, so fühle meine Not!
Faust
Du wirst die Wächter aus dem Schlafe schreien!
Margarethe
Wer hat die, Henker, diese Macht
Über mich gegeben?
Du holst mich schon um Mitternacht!
Erbarme dich und laß mich leben!
Ist`s morgen früh nicht zeitig genug?       
Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit;
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab ich dir getan?
Faust
Werd ich den Jammer überstehen?
Margarethe
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Lass mich nur erst das Kind noch tränken!
Ich herzt es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir`s, um mich zu kränken,
Und sagen nun, ich hätt es umgebracht,
Und niemals werd ich wieder froh.
Sie singen Lieder auf mich!
Es ist so bös von den Leuten!
Ein altes Märchen endigt so,
Wer heißt sie`s deuten?
Faust
Ein Liebender liegt dir zu Füßen.
Margarethe
O lass uns knien, die Heiligen anzurufen!
Faust
Gretchen! Gretchen!
Margarethe
Das war des Freundes Stimme!
Wo ist er? Ich hab ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief: Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durch den grimmigen teuflischen Hohn
Erkannt ich den süßen, den liebenden Ton.
Faust
Ich bin`s!
Margarethe
Du bist`s! O sag es noch einmal!
Er ist`s! er ist`s! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? Der Ketten?
Du bist`s! kommst, mich zu retten!
Ich bin gerettet!
                                     
Schon ist die Straße wieder da,
Auf der ich dich zum ersten Male sah,
Und der heitere Garten,
Wo ich und Marthe deiner warten.
Faust
Komm mit! komm mit!
Eile!
Wenn du nicht eilest,
Werden wir`s teuer büßen müssen.
Margarethe
Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt,
Und hast`s Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang,
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken
Ein ganzer Himmel mich überdrang
Und du mich küßtest, als wolltest du mich ersticken?
Küsse mich!
Sonst küss ich dich!
 
O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?
Faust
Komm! folge mir!
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dies!
Margarethe
Und bist du`s denn? und bist du`s denn gewiss?
Faust
Ich bin`s! Komm mit!
Margarethe
Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoß.
Wie kommt es, dass du dich vor mir nicht scheust? -
Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?
Faust
Komm! komm! Schon weicht die tiefe Nacht.
Margarethe
Meine Mutter hab ich umgebracht,
Mein Kind hab ich ertränkt.
War es nicht dir und mir geschenkt?
Dir auch! - Du bist`s! Ich glaub es kaum.
Gib deine Hand! Es ist kein Traum!
Deine liebe Hand! - Aber sie ist feucht!
Wische sie ab! Wie mich deucht,
Ist Blut dran!
Ach Gott! Was hast du getan!
Stecke den Degen ein!
Ich bitte dich drum.
Faust
Lass das Vergang`ne vergangen sein!
Du bringst mich um.
Margarethe
Nein, du musst übrig bleiben!
Ich will dir die Gräber beschreiben,
Für die musst du sorgen
Gleich morgen:
Der Mutter den besten Platz geben,
Meinen Bruder sogleich daneben,
Mich ein wenig beiseit,
Nur nicht gar zu weit!
Und das Kleine mir an die rechte Brust!
Niemand wird sonst bei mir liegen! -
Mich an deine Seite zu schmiegen,
Das war ein süßes, ein holdes Glück!
Aber es will mir nicht mehr gelingen;
Mir ist, als müsst ich mich zu dir zwingen,
Als stießest du mich von dir zurück,
Und doch bist du`s und blickst so gut, so fromm.
Faust
Fühlst du, dass ich es bin, so komm!
Margarethe
Da hinaus?
Faust
Ins Freie!
Margarethe
Ist das Grab drauß,
Lauert der Tod, so komm!
Von hier ins ewige Ruhebett
Und weiter keinen Schritt! -
Du gehst nun fort? O Heinrich, könnt ich mit!
Faust
Du kannst! so wolle nur! Die Tür steht offen.
Margarethe
Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen.
Was hilft es, flieh`n? Sie lauern doch mir auf.
Es ist so elend, betteln zu müssen,
Und noch dazu mit bösem Gewissen!
Es ist so elend, in der Fremde schweifen! -
Und sie werden mich doch ergreifen!
Faust
Ich bleibe bei dir.
Margarethe
Geschwind! geschwind!
Rette dein armes Kind!
Fort! immer den weg
Am Bach hinauf,
Über den Steg,
In den Wald hinein,
Links, wo die Planke steht,
Im Teich.
Fass es nur gleich!
Es will sich heben,
Es zappelt noch!
Rette! rette!
Faust
Besinne dich doch!
Nur einen Schritt, so bist du frei!
Margarethe
Wären wir nur den Berg vorbei!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein,
Es fasst mich kalt beim Schopfe!
Da sitzt meine Mutter auf einem Stein
Und wackelt mit dem Kopfe;
Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer,
Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr -
Sie schlief, damit wir uns freuten.
Es waren glückliche Zeiten!
 
Lass mich! Nein, ich leide keine Gewalt!
Fasse mich nicht so mörderisch an!
Sonst hab ich dir ja alles zulieb getan.
Faust
Der Tag graut! Liebchen! Liebchen!
Margarethe
Tag! Ja, es wird Tag! der letzte Tag dringt herein;
Es ist eben gescheh`n!
Wir werden uns wiedersehn -
42/40 Aber nicht beim Tanze.
Die Menge drängt sich, man hört sie nicht;
Der Platz, die Gassen
Können sie nicht fassen.
Wie sie mich binden und packen!
Schon zuckt nach jedem Nacken
Die Schärfe, die nach meinem zückt.
Stumm liegt die Welt wie das Grab!
Faust
O wär ich nie geboren!
Mephistopheles
Auf! oder ihr seid verloren.
Margarethe
Was steigt aus dem Boden herauf?
Der! der! Schicke ihn fort!
Was will der an dem heiligen Ort?
Er will mich!
 
Gericht Gottes! dir hab ich mich übergeben!
Mephistopheles
Komm! komm! Ich lasse dich mit ihr im Stich.
Margarethe
Heinrich! Mir graut`s vor dir!
Mephistopheles
Sie ist gerichtet!
Margarethe
Ist gerettet!
 
Heinrich! Heinrich!
 
 
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