54 Text - faust-1-faust-2-inszenierung.com

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Faust 2015 > Ebene 54 Das Ende
54 Das Ende
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Das riesige Kreuz, das Faust zu zerdrücken drohte, schwebt hoch über der Bühne. Faust erhebt sich mühsam, legt seine Hände vor das Gesicht, tastet einen Schritt in Richtung der Grabkreuze. Mephistopheles und Panthyrann machen ärgerliche Gesten, denn sie hatten gehofft, dass das Spiel mit Einsetzen der Blindheit Fausts beendet sein müsse. Die Geste muss ausdrücken: „Verdammt, der Kerl lebt immer noch!“
Szenenbild 02
Faust tastet sich orientierungslos weiter, hält sich an einem Kreuz der vordersten Kreuzreihe fest. Durch die Anstrengung des Laufens ist er am Ende seiner Kräfte. Mephistopheles hält die Hände trichterförmig vor den Mund und ruft mit verstellter krächzender Stimme:
Mephistopheles
Herbei! herbei! Herein, herein!
Ihr schlotternden Lemuren,
Aus Bändern, Sehnen und Gebein
Geflickte Halbnaturen!
 
Szenenbild 03
In den ersten Grabreihen kommt es zu Bewegungen im Bühnenboden und undeutliches Gemurmel erfüllt den Theatersaal. Damit wird der Zuschauerraum wieder in das Bühnengeschehen einbezogen. Die Folterknechte, die Helena einst zum Opfertod zubereiteten, treten jetzt als Lemuren auf. Es sind Marionetten, die aus den Gräbern kriechen. Die Stimmen der Lemuren klingen schrill und metallisch. 
Lemuren
Wir treten dir sogleich zur Hand,
Und wie wir halb vernommen,
Es gilt wohl gar ein weites Land,
Das sollen wir bekommen.
 
Gespitzte Pfähle, die sind da,
Die Kette lang zum Messen;
Warum an uns der Ruf geschah,
Das haben wir vergessen.
 
Die vier Lemuren bewegen sich schwebend auf Mephistopheles zu, stellen sich vor ihm in einer Reihe auf, um seine Anweisungen zu empfangen. Faust horcht, ist aber zu schwach, zu begreifen, was um ihn geschieht, wo er sich befindet.
 
Mephistopheles
Hier gilt kein künstlerisch Bemühn;
Verfahret nur nach eignen Maßen:
Der Längste lege längelang sich hin,
Ihr andern lüftet ringsherum den Rasen!
Wie man`s für unsre Väter tat,
Vertieft ein längliches Quadrat!
Aus dem Palast ins enge Haus:
So dumm läuft es am Ende doch hinaus.
 
Die Lemuren beginnen, mit Spaten und Spitzhacken das Grab auszuheben. In Faust werden Erinnerungen an seine Großbaustelle wachgerufen, so dass er munterer wird.
 
Faust
Wie das Geklirr der Spaten mich ergetzt!
Es ist die Menge, die mir frönet,
Die Erde mit sich selbst versöhnet,
Den Wellen ihre Grenze setzt,
Das Meer mit strengem Band umzieht.
 
Mephistopheles
In jeder Art seid ihr verloren; -
Die Elemente sind mit uns verschworen,
Und auf Vernichtung läuft`s hinaus.
 
Faust glaubt ernsthaft, Herr seiner selbst mitten seines Besitztums zu sein. Der Blindheit ist er sich noch nicht bewusst. Seine Stimme erreicht im Verlauf des folgenden Monologes die gewohnte Kraft.
 
Faust
Aufseher!
 
Mephistopheles
Hier!
 
Faust
Wie es auch möglich sei,
Arbeiter schaffe Meng auf Menge;
Ermuntre durch Genuss und Strenge,
Bezahle, locke, presse bei!
Mit jedem Tage will ich Nachricht haben.
 
Mephistopheles
Man spricht, wie man mir Nachricht gab,
Von keinem Graben, doch vom Grab.
 
Faust tastet geistesabwesend an dem Kreuz herum und phantasiert in seiner gewohnt deklamierenden Ausdrucksweise.
 
Faust
Ein Sumpf zieht am Gebirge hin,
Das letzte wär das Höchsterrungene.
Eröffn` ich Räume vielen Millionen,
Nicht sicher zwar, doch tätig - frei zu wohnen.
Sogleich behaglich auf der neusten Erde,
Im Innern hier ein paradiesisch Land,
Da rase draußen Flut bis auf zum Rand,
Ja, diesem Sinne bin ich ganz ergeben,
Das ist der Weisheit letzter Schluss:
Nur der verdient sich Freiheit wie das Leben,
Der täglich sie erobern muss.
 
Intermezzo Kinder
 
Szenenbild 04
Mephistopheles und Panthyrann stehen abseits im linken Bühnenvordergrund und betrachten Faust. Beide zeigen Unruhe, ja Verängstigung, denn Geräusche verschiedener Art und Ursprunges sind zu hören.
Schwache Konturen, kaum ahnbare Schatten zeugen von der Anwesenheit des Vogels Corvus Mysticus. Er schwebt als imaterielles, nicht definierbares Geistiges über dem Bühnenraum. Mater Agape wird diffus im Hintergrund sichtbar.
Die Ereignisse, während derer sich die innere Wandlung Fausts vollziehen und die ihn reif machen werden für „Vergebung und Erlösung“, werden sich überschlagen. Mephistopheles und Panthyrann entgleitet die Regie über das Geschehen auf der Bühne und sie werden selbst zu Zuschauern.
Panthyrann sieht als erster die Ursache des sich anbahnenden Getümmels. Er zeigt lachend in die Richtung, aus der die „neuen Kriegsherren“ kommen.
Die Lemuren haben ihre Spaten beiseite geworfen und drängen sich ängstlich um Mephistopheles.
Zwischen den Gräbern springen fünf spielende Kinder heran, fröhlich und ausgelassen. Sie sind sich in keiner Weise der Würde des Ortes bewusst. Sie spielen Krieg, so, wie sie es aus den Berichten ihrer Väter, durch Computerspiele usw. erfahren haben. Zwei von ihnen steuern verhältnismäßig große Panzerfahrzeuge. Zwei andere marschieren mit Maschinengewehren heran. Das letzte Kind, ein Mädchen, spielt Soldatenwitwe. Sie hat sich über ihren Kopf ein schwarzes Tuch gehängt. Die beiden Panzerfahrer bekriegen sich gegenseitig und versuchen, mit ihren Kinderstimmen die Detonationen der Geschütze nachzuahmen. Bei einer der Detonationen springen die beiden Maschinenpistolenschützen zur Seite und suchen Deckung zwischen den Grabkreuzen.
Einer der Beiden spielt den Gefallenen und das Mädchen kniet neben ihm nieder, stellt seinen Tod fest, mimt für einen Moment Trauer, springt aber spielerisch hüpfend zu dem anderen, der mit sich überschlagender Stimme auf einen der Panzerfahrer schießt, der sich nun ebenfalls als „Gefallener“ aus seinem Fahrersitz zwischen die Grabkreuze fallen lässt.
Der Spielpanzer und das Gewehr des gefallenen Soldaten sind in unmittelbarer Nähe Fausts liegengeblieben. Panthyrann und Mephistopheles zeigen ein verschmitztes Lächeln über den kindischen Unfug und schmunzeln nicht mehr über die Störung sondern sehen nun fluchend dem unsinnigen Treiben der Kinder zu.
Eine Pause entsteht, in der ein Gazevorhang analog zur Szene „53 Die Sorge“ zwischen die erste und zweite Kreuzreihe herab gelassen wird.
Das abseits stehende Mädchen schreit furchtbar auf, denn eine große schwarze Spinne läuft auf einem der Kreuze dicht neben ihr in Richtung Bühnenboden und stolziert auf langen haarigen Beinen auf das Mädchen zu. Diese Szene wird auf den Gazevorhang vergrößert projiziert.
 
Szenenbild 05
Die Kleine steht am ganzen Körper zitternd wie angewurzelt, springt auf und läuft die wenigen Schritte von Angst und Ekel getrieben zu dem alten Mann. Am dessen Körper sucht sie Schutz, indem sie sich an die Beine Fausts klammert. Faust konnte die Ursache des Schreckens nicht wahrnehmen, doch seine Hände ertasten eilig den Körper des Mädchens.
Faust spürt ein ungekanntes Bedürfnis, diesem unbekannten Wesen seine Zuneigung zu zeigen und zieht es dicht an seinen Körper. Damit ist jeder Bann für das Mädchen gebrochen. Fest und hilfesuchend drückt sich das Mädchen an Faust, versucht, sich in die Höhe ziehen zu lasse, lässt sich von den greisen Händen über das Haar streichen. Ein erlösendes Schluchzen bricht aus ihr heraus.
Das Mädchen, dass an ihn gepresst um Hilfe zittert, erzeugt in Faust „endlich“ die Anteilnahme, Mitleid, Verantwortung – kurz, die Eigenschaften, denen er zeit seines Lebens nachjagte, ohne sie wahrhaft empfinden zu können.
Szenenbild 06
In Faust geschieht Wunderliches, ja Unglaubliches. Hat er in dieser einen Nacht Erlebnisse auskosten dürfen, die ihm unfassbar in ihrer Größe und Wirkung sind, so erhebt sich seine Seele mit dem Weinen eines kleinen Hilfe suchenden Kindes in wunderbare Schwerelosigkeit. Nie hat er dergleichen erleben können, dass ein Kind bei ihm Trost sucht, dass er einen Kinderkopf streicheln und ein schluchzendes bedrängtes Kinderherz beruhigen darf. Er weiß nach wie vor nichts von der Ursache für die Not des kleinen Wesens an seinem Schoß. In ihm ist ein Glücksgefühl nicht gekannter Art. Dieses Kind wünscht er sich für immer und ewig in den Armen halten zu dürfen. Nie möchte er diese aufkeimende Liebe lassen, die ihn zur Tröstung befähigt. Musste er so alt werden, um das zu erfahren? Auf einmal, völlig unerwartet, empfindet er das Glück, das er zeitlebens suchte, ihm wie einem Phantom nachjagte, nie erahnte und nun erkennen darf, in welcher Einfachheit es zu finden gewesen wäre. Welche Umwege musste er gehen?
Doch einmalig wird das Erlebnis bleiben. Er schaut nach unten, wird sich seiner Blindheit bewusst, vergisst diesen Umstand sofort wieder und beugt sich weiter zu dem kleinen Lockenkopf hinunter. Sein Kopf findet die Wange des Kindes. Er fühlt vergossenen Kindertränen und seine Augen werden ihm ebenfalls feucht.
Panthyrann scheucht die vier gaffend zusehenden Kinder mit Gesten davon. Ihr Kriegsspielzeug lassen sie zwischen den Kreuzen liegen und fliehen nach rechts von der Bühne.
Mater Agape ist auf einem im Hintergrund befindlichen Gazevorhang in riesiger Größe projiziert.
Szenenbild 07
Faust spürt, dass sein Brustkorb schmerzt, dass er sich nur schwer auf den Beinen halten kann. Erinnerungen durchrasen seinen Geist. Wie in einem Zeitraffer rasen die Bilder an ihm vorüber. Die Explosion seines Labors, die Geisterbeschwörung, das Kennenlernen des Mephistopheles, die vielen wirren und sensationellen Erlebnisse mit ihm. Und vor allem das Mädchen Margarethe erscheint deutlicher als alles andere. Er streicht über den Kopf des kleinen Mädchens und sieht diese Margarethe auf einmal in einem völlig anderen Licht. Die Vaterrolle war ihm ermöglicht gewesen. Er hat sie sich verscherzt und an der Mutter seines Kindes schwerste Sünden begangen. Er wird keine Nachkommen haben. Faust wird von der Erinnerung an Margarethe-Helena überwältigt. In zweifacher Gestalt steht sie über ihm.
Er sieht zurück in den Krieg, sieht den riesigen Damm, von dem er wusste, welche Gefahren er für die Menschen in sich birgt. Das Resümee seines Lebens sieht nicht gut aus. Wie viele Menschen wird es geben, die ihm nachtrauern, wenn er nicht mehr ist? Dass das Ende nahe ist, spürt er mit allen Fasern. Er wird vergessen werden – ein Leben ohne Ergebnis. Die Erinnerungen werden an den großen Gazevorhang projiziert. Das Mädchen, weiterhin fest Fausts Bein umklammernd, versteht die Situation nicht.
Corvus Mysticus schwebte bisher ruhig über der Friedhofszene, wird jetzt aktiv und bedroht  Mephistopheles und Panthyrann. Dieser Riesenvogel macht ihnen höllische Angst. Sie weichen mehrfach vor den mysteriösen Erscheinungen zurück. 
Szenenbild 08
Faust fühlt seinen Tod kommen. Er beugt sich ein letztes Mal zu dem Mädchen herab und drückt es fest an sich, presst seinen Kopf an den des Kindes. Seine letzten Worte werden zu Gedanken, die leise aber deutlich im gesamten Zuschauerraum über Lautsprecher wieder gegeben werden.
Faust
Und so verbringt, umrungen von Gefahr,
Hier Kindheit, Mann und Greis sein tüchtig Jahr.       
Solch ein Gewimmel möcht ich sehn,
Auf freiem Grund mit freiem Volke stehen!
Zum Augenblicke dürft ich sagen:
Verweile doch, du bist so schön!
Es kann die Spur von meinen Erdentagen
Nicht in Äonen untergehn. -
Im Vorgefühl von solchem hohen Glück
Genieß ich jetzt den höchsten Augenblick.
 
Die Bilderscheinungen Margarethes verschwinden.
Ein stechender Schmerz, der sich von seiner rechten Schulter aus in die Brust hineinbohrt, lässt seinen Brustkorb verkrampfen. Sein Atem stockt unter den Schmerzen.  Das Mädchen nimmt Fausts Schmerzensausbruch wahr, versucht ihn zu halten, aber er sinkt zu Boden. Ein weiterer Stich lässt seine Brust zerreissen. Im Fallen springt das Mädchen einen Schritt zur Seite. Sie ist fassungslos über diese Wende. Das Mädchen nimmt bewusst das Sterben Fausts wahr, wirft sich verzweifelt auf den leblosen Körper, trommelt mit den Händen auf seiner Brust und weint. 
 
Szenenbild 09
Faust liegt am Boden und das Mädchen steht neben ihm. Es schaut hilfesuchend zu Mephistopheles und Panthyrann hoch, die schnell dicht an Faust herangekommen sind. Diese Erwachsenen machen jedoch keine Anstalten, zu helfen, etwas zu tun. So furchtbar gleichgültig stehen sie da, mit Grinsen in den Gesichtern. Worüber amüsieren die sich? Über sie, über die dumme Spinne, oder lachen sie gar über den armen alten Mann, der sie so lieb in den Arm nahm – und jetzt tot ist? Sie weiß, dass keine Hilfe mehr möglich ist.
Das Herz ist zur Ruhe gekommen, es schweigt und dieses Schweigen vermittelt dem Kind, das ein Ende eingetreten ist, unbegreiflich, unwiderruflich. Zwei kleine Arme schlingen sich ein letztes Mal um den greisen Kopf eines toten Mannes und nehmen Abschied von einer sehr, sehr kurzen Freundschaft.
Zwei der Jungen sind zurückgekommen und gehen vorsichtig auf den Leichnam zu. Einer der Jungen betrachtet ängstlich vorsichtig den Toten. Das Mädchen wird von dem Jungen an der Hand genommen und fortgezogen. Das Mädchen wendet sich ständig um.
Mephistopheles geht der Abgang der Kinder nicht schnell genug, denn der Kampf um die reisebereite Seele Fausts wird gleich beginnen und Eile ist angesagt. Er zischt dem Mädchen hinterher und scheucht die Kinder mit entsprechenden Handbewegungen zur Eile. Bei den Jungen zeigen diese Handbewegungen mehr Wirkung als bei dem Mädchen, denn stolpernd wird die Kleine von den Flüchtenden fortgezogen.
Die Lemuren verschwinden unauffällig von der Bühne.
Die Projektionsflächen verschwinden und Mephistopheles und Panthyrann sind allein mit dem Leichnam Fausts. Wieder spüren sie den Geist des riesigen Vogels über sich schweben. Sie fühlen sich beobachtet, verfolgt und gehemmt. Die mystischen Geschehnisse haben ihnen mehr Unbehagen eingeflößt, als sie sich zugestehen möchten. Mit instinktiv gebeugter Kopfhaltung schauen sie zum Horizont und spüren entsetzt. dass sie sich inmitten des Lichtes eines ihnen unerklärlichen Geistes befinden.
Die Bühne ist kahl und bleich geworden, noch kahler als vorher, und ein tristes Dämmerlicht kündet den anbrechenden Tag an.
Szenenbild 10
Die Erscheinung der Mater Agape ist blasser geworden und ist in den Hintergrund gerückt. Um das von den Lemuren ausgestochene Grab ist Rasen entstanden, der sich zauberhaft mit Frühlingsblumen füllt. Erschrocken weichen Mephistopheles und Panthyrann zurück. Die Bühne hat sich verdunkelt. Aus der rechten Nebenbühne kommt sehr langsam das greise Paar
Philemon und Baucis, mit hellgrauen Tüchern bedeckt und auffällig weißen Gesichtern.
Sie nähern sich dem Körper Fausts ohne von Mephistopheles und Panthyrann Notiz zu nehmen. Ihr Gesichtsausdruck zeigt einen leichten Anflug von Lächeln, von
Abgeklärtsein, Sie kommen schwebend Hand in Hand auf den Toten zu. Erst bei Erreichen Fausts heben sie sich konturenscharf vom dunklen Hintergrund ab.
Einen lose gebundenen Strauß roter Rosen hält Baucis in den Händen. Eine bereits erlebte Szene wiederholt sich, denn schon einmal hat die Greisin Baucis einer dem Tode Geweihten eine Rose zur Erinnerung an das, was man ihr mit Gewalt genommen hat - den Glauben an Liebe - in die Ketten vor ihren ohnmächtigen Blick gesteckt! Sie bleiben in der Höhe des Kopfes Fausts stehen, beugen sich zu ihm herab und legen drei Rosen, die sie aus dem Gebinde lösen, auf den Körper ihres einstigen Widersachers. Mephistopheles und Panthyrann fixieren diese Handlung mit ungläubig verirrtem Blick. Es vollzieht sich schon wieder Unglaubliches vor den Augen Mephistopheles` und Panthyranns. Sie müssen erneut erkennen, dass sich eine dritte Kraft in ihre Wette um die Seele Fausts einmischt. Dieser Vogel, dann die Lichterscheinung und nun die Ermordeten - es muss eine ungeahnte Gewalt über allem Irdischen und Außerirdischen geben – eine Gewalt, die ihnen beiden doch seit ewigen Zeiten zugeschrieben wurde.
Von jetzt an haben nicht nur sie beide über die entschwindende Seele Fausts zu entscheiden, nein, sie haben sich gemeinsam gegen dieses andere Ungewisse zu behaupten. Die Erscheinung der beiden Alten löst sich im Nichts auf. Das Paar hat sich nach einem kurzen Moment der andächtigen Stille umgewendet und geht zurück in das Dunkel.
Nach einem kurzen Moment der Besinnung atmen Mephistopheles und Panthyrann auf. Sie sind von den Gespenstern befreit und sind sich trotz der Bedrohung einig darin, den Kampf um die Seele Fausts voranzutreiben, bevor der unbekannte Geist erneut erscheint und sie daran hindern sollte. Sie springen auf die Leiche Fausts zu, die aufblühenden Blumen zertretend.
Mephistopheles reißt die Beine Fausts auseinander und postiert sich niederkniend mit offenen Händen zwischen diesen, als wollte er die aus den unteren Regionen des Körpers entschwebende Seele einfangen. Panthyrann steht gebeugt über dem Kopf Fausts und hält die Hände in ähnlicher Pose vor dessen Mund. Beide ereifern sich in abwechselnder Rede.
Mephistopheles
Der mir so kräftig widerstand,
Die Zeit wird Herr, der Greis hier liegt im Sand.
Die Uhr steht still -
 
Szenenbild 11
Die Bühne bleibt verdunkelt. Corvus Mysticus und Mater Agape verschwinden im rechten Bühnenbereich. Der Engelchor aus der Szene „05 Nacht“ erscheint am Nachthimmel und übernimmt die Chorverse.
Chor
Steht still! sie schweigt wie Mitternacht.
Der Zeiger fällt -
 
Mephistopheles
Er fällt, es ist vollbracht.

 
Chor
Es ist vorbei.
 
Mephistopheles
Vorbei! ein dummes Wort.
Warum vorbei?
Vorbei und reines Nicht, vollkommnes Einerlei!
Was soll uns denn das ewg`e Schaffen?
Geschaffenes zu nicht hinwegzuraffen!
„Da ist`s vorbei !" Was ist daran zu lesen?
Es ist so gut, als wär es nicht gewesen,
Und treibt sich doch im Kreis, als wenn es wäre.
Ich liebte mir dafür das Ewig - Leere.
 
Dieses Bild geht völlig nahtlos in das nächste Bild über.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü