Die Szene „Nacht“ spielt am
Vorabend eines Ostersonntages. Am darauffolgenden Ostersonntag wandert alles
Volk vor die Stadt, vor das Tor, und am Abend dieses Tages entpuppt sich der
Pudel als Mephistopheles. Der Pakt zwischen Mephistopheles und Faust wird am zweiten
Osterfeiertag geschlossen. (37 % der Textzeilen des „Faust I“ konzentrieren
sich auf diese drei Tage.)
Sofort danach geht es nach
Leipzig in „Auerbachs Keller“ und anschließend in die „Hexenküche“. In der
Zauberwelt des Teufels dürfte man maximal eine Woche für diese beiden Ereignisse
veranschlagen.
Wenige Tage später schafft
es Faust, das Mädchen Margarethe ins Bett zu bringen. Zum gleichen Zeitpunkt
wird die Mutter vergiftet. Der nächste von Goethe festgelegte Fixpunkt ist die
Walpurgisnacht am 31.Mai. Zwischen dem Osterfest und dem 31. Mai hat Margarethe
bereits entbunden und anschließend ihr Kind ertränkt. Ganz nebenbei wurde ihr
Bruder als Folge ihres „Sündenfalles“ von Faust ermordet.
Diese Fakten lassen
erkennen, dass Goethe das biologische Gesetz der neunmonatigen Schwangerschaft
völlig ignoriert. Selbst, wenn man unterstellt, dass Goethe stillschweigend ein
Jahr übersprungen hat, denn dann würde das biologische Naturgesetz wieder
eingehalten, bleiben viele Fragen offen.
Zum Beispiel: Wie war das
mit dem Tod der Mutter? Vom gewaltsamen Tod des Bruders ist auch keine Rede
mehr. Und vor allem: was machen Mephistopheles und Faust in diesen neun bis
zwölf Monaten? Wie lebt das arme Gretchen während dieser ewigen Leidenszeit?
Diese Überlegungen in
Zusammenhang mit dem schwer zu deutenden Inhalt des „Faust II“ und dem Ziel,
das Ganze zu „Einem Ganzen“ zusammen zu fügen, führten zu der im „Faust 2015“
erfolgten Umstellung der Einzelszenen und zur Entwicklung eines folgerichtigen
linearen Handlungsschemas in Verbindung mit einer nachvollziehbaren zeitlichen
Handlungsabfolge.
Das heißt nicht, dass damit
alle Fragen beantwortet werden, aber der Logik kommt der neue Szenenablauf näher.