07 Bibliothek 1 - faust-1-faust-2-inszenierung.com

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Strichfassung
 
 
07 Bibliothek 1
 
Faust
Verlassen hab ich Feld und Auen,
Die eine tiefe Nacht bedeckt,
Entschlafen sind nun wilde Triebe
Mit jenem ungestümen Tun;
Es reget sich die Menschenliebe,                        
Die Liebe Gottes regt sich nun. -
Wie du draußen auf dem bergigen Wege
Durch Rennen und Springen ergetzt uns hast,
So nimm nun auch von mir die Pflege
Als ein willkommner, stiller Gast.
Ach! wenn in unsrer engen Zelle
Die Lampe wieder freundlich brennt,
Dann wird`s in unsrem Busen helle,
Im Herzen, das sich selber kennt.
Vernunft fängt wieder an zu sprechen,
Und Hoffnung wieder an zu blüh`n;
Man sehnt sich nach des Lebens Bächen,
Ach! nach des Lebens Quelle hin. -
Knurre nicht, Pudel! Zu den heiligen Tönen,
Die jetzt meine ganze Seel umfassen,
Will der tierische Laut nicht passen.
Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhöhnen,
Was sie nicht versteh`n,
Dass sie vor dem Guten und Schönen,
Das ihnen oft beschwerlich ist, murren;
Will es der Hund wie sie beknurren?
Aber ach! schon fühl ich, bei dem besten Willen,
Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
Aber warum muss der Strom so bald versiegen
Und wir wieder im Durste liegen?
Davon hab ich so viel Erfahrung.
Doch dieser Mangel lässt sich ersetzen:
Wir lernen das Überirdische schätzen,               
Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd`ger und schöner brennt
Als in dem Neuen Testament.
Mich drängt`st, den Grundtext aufzuschlagen,
Mit redlichem Gefühl einmal
Das heilige Original
In mein geliebtes Deutsch zu übertragen.
 
Geschrieben steht: „Im Anfang war das Wort!"                            
Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
Ich muss es anders übersetzen,
Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
Bedenke wohl die erste Zeile,
Dass eine Feder sich nicht übereile!
Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
Doch auch indem ich dieses niederschreibe,
Schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe.
Mir hilft der Geist! auf einmal seh ich Rat
Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat! -
 
Soll ich mit dir das Zimmer teilen,
Pudel, so lass das Heulen,
So lass das Bellen!       
Die Tür ist offen, du hast freien Lauf. -
 
Aber was muss ich sehen!
Kann das natürlich geschehen?
Ist es Schatten? ist es Wirklichkeit?
Geister
Schwebet hin, schwebet wider,
Auf und nieder,
Faust
Incubus! Incubus!
Tritt hervor und mache Schluss!
Keines der Viere
Steckt in dem Tiere.
Bist du, Geselle, 
Ein Flüchtling der Hölle?
Mephistopheles 
Wozu der  Lärm? was steht dem Herrn zu Diensten?
Faust
Das also war des Pudels Kern!
Ein fahrender Skolast?
Der Casus macht mich lachen.
Mephistopheles 
Ich salutiere den gelehrten Herrn!
Faust
Wie nennst du dich?
Mephistopheles 
Die Frage scheint mir klein
Für einen, der das Wort so sehr verachtet,                 
Der, weit entfernt von allem Schein,
Nur in der Wesen Tiefe trachtet. 
Faust
Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen
Gewöhnlich aus dem Namen lesen,
Wo es sich allzu deutlich weist,
Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt.
Nun gut, wer bist du denn?
Mephistopheles 
Ein Teil von jener Kraft,                                                       
Die stets das Böse will, und stets das Gute schafft.
Faust
Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?
Mephistopheles 
Ich bin der Geist, der stets verneint!
Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,
Ist wert, dass es zugrunde geht;
Drum besser wär`s, dass nichts entstünde.
So ist denn alles, was ihr Sünde,
Zerstörung, kurz das Böse nennt,
Mein eigentliches Element.
Faust
Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor  mir?
Mephistopheles 
Bescheid`ne Wahrheit sprech ich dir.
Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt,  
Gewöhnlich für ein Ganzes hält -
Ich bin ein Teil des Teils, der anfangs alles war,
Ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar,
Das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht
Den alten Rang, den Raum ihr streitig macht.
Faust
Nun kenn ich deine würd`gen Pflichten!
Du kannst im Großen nichts vernichten
Und fängst es nun im Kleinen an.
Mephistopheles 
Und freilich ist nicht viel damit getan.
Was sich dem Nichts entgegenstellt,
Das Etwas, diese plumpe Welt,
So viel als ich schon unternommen,
Ich wusste nicht ihr beizukommen
Mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand -
Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!
Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut,
Dem ist nun gar nichts anzuhaben:
Wie viele hab ich schon begraben,
Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut!
So geht es fort, man möchte rasend werden!
Der Luft, dem Wasser wie der Erden
Entwinden tausend Keime sich,
Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!
Hätt ich mir nicht die Flamme vorbehalten,                
Ich hätte nichts Apart`s für mich.    
Faust
So setzest du der ewig regen,
Der heilsam schaffenden Gewalt                       
Die kalte Teufelsfaust entgegen,
Die sich vergebens tückisch ballt!
Was anders suche zu beginnen,
Des Chaos wunderlicher Sohn!
Mephistopheles 
Wir wollen wirklich uns besinnen,
Die nächsten Male mehr davon!
Dürft ich wohl diesmal mich entfernen?
Faust
Ich sehe nicht, warum du fragst.
Ich habe jetzt dich kennenlernen,
Besuche nun mich, wie du magst.
Mephistopheles 
Wenn dir`s beliebt, so bin ich auch bereit,
Dir zur Gesellschaft hierzubleiben;
Doch mit Bedingnis, dir die Zeit    
Durch meine Künste würdig zu vertreiben.
Faust
Ich seh es gern, das steht dir frei;
Nur dass die Kunst gefällig sei!
Mephistopheles 
Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen
In dieser Stunde mehr gewinnen
Als in des Jahres Einerlei.
Was dir die zarten Geister singen,
Die schönen Bilder, die sie bringen,
Sind nicht ein leeres Zauberspiel.
Beisammen sind wir, fanget an!
Geister
Schwindet, ihr dunkeln
Wölbungen droben!
Himmlischer Söhne
Geistige Schöne,
Schwankende Beugung
Schwebet vorüber.
Mephistopheles 
Er schläft!
Nun, Fauste, träume fort, bis wir uns wiedersehn!
 
 
 
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü