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Strichfassung
 
 
20 Unter der Laterne 1
 
Margarethe
Versprich mir, Heinrich!
Faust
Was ich kann!
Margarethe
Nun, sag: wie hast du`s mit der Religion?
Du bist ein herzlich guter Mann,
Allein ich glaub, du hältst nicht viel davon.
Faust
Lass das, mein Kind! Du fühlst, ich bin dir gut;
Für meine Lieben ließ` ich Leib und Blut,
Will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben.
Margarethe
Das ist nicht recht, man muss dran glauben!      
Faust
Muss man?
Margarethe
Du ehrst auch nicht die heil`gen Sakramente.
Faust
Ich ehre sie.
Margarethe
Doch ohne Verlangen.
Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen.
Glaubst du an Gott?
Faust
Mein Liebchen, wer darf sagen:
Ich glaube an Gott!
Magst Priester oder Weise fragen,
Und ihre Antwort scheint nur Spott
Über den Frager zu sein.
Margarethe
So glaubst du nicht?
Faust
Misshör mich nicht, du holdes Angesicht!
Wer darf ihn nennen
Und wer bekennen:
Ich glaube ihn!
Wer empfinden
Und sich unterwinden
Zu sagen: ich glaub ihn nicht!
Der Allumfasser,
Der Allerhalter,
Fasst und erhält er nicht
Dich, mich, sich selbst?
Wölbt sich der Himmel nicht daroben?
Liegt die Erde nicht hierunten fest?
Und steigen freundlich blickend
Ewige Sterne nicht herauf?
Schau ich nicht Aug in Aug dir,
Und drängt nicht alles
Nach Haupt und Herzen dir
Und webt in ewigem Geheimnis
Unsichtbar sichtbar neben dir?
Erfüll davon dein Herz, so groß es ist,
Und wenn du ganz in dem Gefühle bist,
Nenn es dann, wie du willst:
Nenns Glück! Liebe! Gott!
Ich habe keinen Namen
Dafür! Gefühl ist alles;
Name ist Schall und Rauch,
Umnebelnd Himmelsglut.
Margarethe
Das ist alles recht schön und gut;
Ungefähr sagt das der Pfarrer auch,
Nur mit ein bisschen andern Worten.
Faust
Es sagen`s aller Orten
Alle Herzen unter dem himmlischen Tage,
Jedes in seiner Sprache;
Warum nicht ich in der meinen?
Margarethe
Wenn man`s so hört, möcht`s leidlich scheinen,
Steht aber doch immer schief darum;
Denn du hast kein Christentum.
Faust
Liebs Kind!
Margarethe
Es tut mir lang schon weh,
Dass ich dich in der Gesellschaft seh.
Faust
Wieso?
Margarethe
Der Mensch, den du da bei dir hast,
Ist mir in tiefer inn`rer Seele verhasst;
Es hat mir in meinem Leben
So nichts einen Stich ins Herz gegeben
Als des Menschen widrig Gesicht.
Faust
Liebe Puppe, fürcht ihn nicht!
Margarethe
Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.
Ich bin sonst allen Menschen gut;
Aber wie ich mich sehne, dich zu schauen,
Hab ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen,
Und halt ihn für einen Schelm dazu!
Gott verzeih mir`s, wenn ich ihm unrecht tu!
Faust
Es muss auch solche Käuze geben.
Margarethe
Wollte nicht mit seinesgleichen leben!
Kommt er einmal zur Tür herein,
Sieht er immer so spöttisch drein
Und halb ergrimmt;
Man sieht, dass er an nichts keinen Anteil nimmt;
Es steht ihm an der Stirn geschrieben,
Dass er nicht mag eine Seele lieben.
Mir wird`s so wohl in deinem Arm,
So frei, so hingegeben warm,
Und seine Gegenwart schnürt mir das Inn`re zu.
Faust
Du ahnungsvoller Engel du!
Margarethe
Das übermannt mich so sehr,
Dass, wo er nur mag zu uns treten,
Mein` ich sogar, ich liebte dich nicht mehr.
Auch, wenn er da ist, könnt ich nimmer beten,
Und das frisst mir ins Herz hinein;
Dir, Heinrich, muss es auch so sein.
Faust
Du hast nun die Antipathie!
Margarethe
Ich muss nun fort.
Faust
Ach, kann ich nie
Ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen
Und Brust an Brust und Seel in Seele drängen?
Margarethe
Ach, wenn ich nur alleine schlief!
Ich ließ dir gern heut nacht den Riegel offen;
Doch meine Mutter schläft nicht tief,
Und würden wir von ihr betroffen,
Ich wär gleich auf der Stelle tot!
Faust
Du Engel, das hat keine Not.
Hier ist ein Fläschchen! Drei Tropfen nur
In ihren Trank umhüllen
Mit tiefem Schlaf gefällig die Natur.
Margarethe
Was tu ich nicht um deinetwillen?
Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!
Faust
Würd ich sonst, Liebchen, dir es raten?
Margarethe
Seh ich dich, bester Mann, nur an,
Weiß nicht, was mich nach deinem Willen treibt;
Ich habe schon so viel für dich getan,
Dass mir zu tun fast nichts mehr übrig bleibt.
Mephistopheles 
Der Grasaff! ist er weg?
Faust
Hast wieder spioniert?
Mephistopheles 
Ich hab`s ausführlich wohl vernommen:
Herr Doktor wurden da katechisiert;
Hoff, es soll Ihnen wohl bekommen.
Die Mädels sind doch sehr interessiert,
Ob einer fromm und schlicht nach altem Brauch.
Sie denken: duckt er da, folgt er uns eben auch.
Faust
Du Ungeheuer siehst nicht ein,
Wie diese liebe, treue Seele,
Von ihrem Glauben voll,
Der ganz allein
Ihr seligmachend ist, sich heilig quäle,
Dass sie den lieben Mann verloren halten soll.
Mephistopheles 
Du übersinnlicher, sinnlicher Freier,
Ein Mägdelein nasführet dich.
Faust
Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!
Mephistopheles 
Und die Physiognomie versteht sie meisterlich:
In meiner Gegenwart wird`s ihr, sie weiß nicht wie,
Mein Mäskchen da weissagt verborgnen Sinn;
Sie fühlt, daß ich ganz sicher ein Genie,
Vieleicht wohl gar der Teufel bin. -
Nun, heute nacht - ?
Faust
Was geht dich`s an?
Mephistopheles 
Hab ich doch meine Freude dran!
 
 
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