38 Vor dem Palaste des Menelas - faust-1-faust-2-inszenierung.com

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü:

Strichfassung
 
 
38 Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta
 
Helena
Bewundert viel und viel gescholten, Helena,
Vom Strande komm ich, wo wir erst gelandet sind,
Noch immer trunken von des Gewoges regsamen                
Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her                 
Auf sträubig-hohem Rücken durch Poseidons Gunst           
Und Euros` Kraft in vaterländische Buchten trug.               
Du aber heiße mich willkommen, hohes Haus,
Von Pallas` Hügel wiederkehrend aufgebaut.
Vor allen Häusern Spartas herrlich ausgeschmückt.
Gegrüßet sei mir, der eh`rnen Pforte Flügel ihr!
Lasst mich hinein! Und alles bleibe hinter mir,
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnisvoll!
Denn seit ich diese Schwelle sorgenlos verließ,
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,          
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört,
Von dem die Sage wachsend sich zum Märchen spann.
Chor
Verschmähe nicht, o herrliche Frau,                                                                         
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert:
Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt.
Dem Helden tönt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz;
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.                           
Helena
Genug! Mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag, errat ich nicht.
Komm ich als Gattin? Komm ich eine Königin?
Komm ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz
Und für der Griechen langgeduldetes Missgeschick?
Erobert bin ich; Ob gefangen, weiß ich nicht!
Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweideutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl
Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne, saß er gegen mir.                        
Er sprach er, wie vom Gott bewegt:
„Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus;
Ich mustere sie, am Strand des Meeres hingereiht.
Du aber ziehe weiter,
Bis dass zur schönen Ebene du gelangen magst,
Betrete dann das hochgetürmte Fürstenhaus
Und mustre mir die Mägde, die ich dort zurück
Gelassen, samt der klugen alten Schaffnerin!                       
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn
Das ist des Fürsten Vorrecht, dass er alles treu
In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes, wie er`s dort verließ;
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt."
Chor
Doch tritt nur ein und fordre sie auf:
Sie rüsten sich schnell.
Mich freuet zu sehn Schönheit in dem Kampf
Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.
Helena
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
„Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
Dann nimm so manchen Dreifuß, als du nötig glaubst.
Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sei
In hohen Krügen; ferner auch das trockne Holz,
Der Flammen schnell empfänglich, halte da bereit!
Doch alles andre geb ich deiner Sorge heim."
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
Lebendigen Atems zeichnet mir der Ordnende,                    
Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.
Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht,
Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie deucht,
Es möge gut von Menschen oder möge bös
Geachtet sein; Die Sterblichen, wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des gebeugten Tieres Nacken weihend auf
Und konnt es nicht vollbringen; Denn ihn hinderte
Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.
Chor
Was geschehen werde, sinnst du nicht aus;
Königin, schreite dahin
Guten Muts!
Gutes und Böses kommt
Unerwartet dem Menschen;
Auch verkündet, glauben wirs nicht.                                    
Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schmählichen Tod,
Und sind wir nicht hier
Dir gesellt, dienstbar freudig,
Schauen des Himmels blendende Sonne
Und das Schönste der Erde,
Huldvoll, dich, uns Glücklichen?
Helena
Sei`s, wie es sei! Was auch bevorsteht
Das, lang entbehrt und viel ersehnt und fast verscherzt,
Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie.
Die Füße tragen mich so mutig nicht empor                         
Die hohen Stufen, die ich kindlich übersprang.
Chor
Werfet, o Schwestern, ihr
Traurig Gefangenen,
Alle Schmerzen ins Weite;
Teilet der Herrin Glück,
Teilet Helenens Glück.
Panthalis 
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterndes begegnen? Du verbirgst es nicht;
Denn Widerwillen seh ich an der Stirne dir,
Ein edles Zürnen, das mit Überraschung kämpft.
Helena
Der Tochter Zeus` geziemet nicht gemeine Furcht,
Doch das Entsetzen!
Panthalis 
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
Was begegnet ist!
Helena
Da seht sie selbst! Sie wagt sogar sich ans Licht hervor!
Chor
Welche von Phorkys`                                                           
Töchtern nur bist du?
Wagest du Scheusal,
Neben der Schönheit.
Phorkyas 
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:                
Dass Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Dass, wo sie irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfängt,                   
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat. -
Euch find ich nun, ihr Frechen, aus der Fremde her
Mit Übermut ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt
In langer Wolke krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; Doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen; Also wird`s mit uns geschehn.
Wer seid denn ihr, dass ihr des Königes Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunk`nen gleich, umtoben dürft?          
Wer seid ihr denn, dass ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegenheulet wie dem Mond der Hunde Schar?
Wähnt ihr, verborgen sei mir, welch Geschlecht ihr seid,
Du kriegerzeugte, schlechterzogne junge Brut?
Mannlustige du. so wie verführt, verführende,
Entnervend beide, Kriegers auch Bürgers Kraft!                  
Zu Hauf euch sehend, scheint mir ein Zikadenschwarm
Herabzustürzen, deckend grüne Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr,
Erobert`, marktverkauft`, vertauschte Ware du!
Helena
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet`rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein, das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen, was verwerflich ist.
Drum schweige du und grinse sie nicht länger an!
Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, - tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns!
Phorkyas 
Da du, nun Anerkannte, neu den alten Platz
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
So fasse längsterschlaffte Zügel, herrsche nun,
Nimm in Besitz den Schatz und sämtlich uns dazu!
Vor allem aber schütze mich, die Ältere,
Vor dieser Schar, die neben deiner Schönheit Schwan         
Nur schlecht befitticht`, schnatterhafte Gänse sind!
Panthalis 
Wie hässlich neben Schönheit zeigt sich Hässlichkeit!
Phorkyas 
Wie unverständig neben Klugheit Unverstand!
Helena
Die Mädchen schaudern; Aber du, die Älteste,
Du stehst gelassen; Rede mir verständig Wort!
Chor
Schweige! Schweige,
Missblickende, Missredende du!
Aus so grässlichen, einzahnigen
Lippen, was enthaucht wohl
Solchem furchtbaren Greuelschlund!
        
Schweige! Schweige!
Dass der Königin Seele,
Schon zu entfliehen bereit,
Sich noch halte, fest halte
Die Gestalt aller Gestalten,
Welche die Sonne jemals  beschien.
Phorkyas 
Stehst du nun in deiner Grossheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, dass du befiehlest! Was befiehlst du? Sprich es aus!
Helena
Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt es wohl,
Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend überrascht.
Phorkyas 
Stehst du nun in deiner Grossheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, dass du befiehlest! Was befiehlst du? Sprich es aus!
Helena
Eilt, ein Opfer zu bestellen, wie der König mir gebot!
Phorkyas 
Alles ist bereit im Hause: Schale,  Dreifuß, scharfes Beil,
Zum Besprengen, zum Beräuchern; Das zu Opfernde zeig an!
Helena
Nicht bezeichnet` es der König.
Phorkyas 
Sprach`s nicht aus?  O Jammerwort!
Helena
Welch ein Jammer überfällt dich?
Phorkyas 
Königin, du bist gemeint!
Helena
Ich?
Phorkyas 
Und diese!
Chor
Weh und Jammer!
Helena
Grässlich! Doch geahnt! Ich Arme!           
Phorkyas 
Unvermeidlich scheint es mir.
Chor
Ach! Und uns? Was wird begegnen?
Phorkyas 
Sie stirbt einen edlen Tod;
Wie im Vogelfang die Drosseln zappelt ihr der Reihe nach.
Genug, ihr seid verloren! Also frisch ans Werk!
Herbei, du düstres, kugelrundes Ungetüm!
Wälzt euch hieher: zu schaden gibt es hier nach Lust!
Die Wasserkrüge füllet! Abzuwaschen gibt’s
Des schwarzen Blutes gräuelvolle Besudelung.
Den Teppich breitet köstlich hier am Staube hin,
Damit das Opfer niederkniee königlich.
Panthalis 
Du bist erfahren, weise, scheinst uns gut gesinnt,
Obschon verkennend hirnlos diese Schar dich traf.
Drum sage, was du möglich noch von Rettung weißt!
Phorkyas 
Ist leicht gesagt! Von der Königin hängt allein es ab,
Entschlossenheit ist nötig.
Chor
Verkünd uns Tag und Heil!
Denn wir fühlen schon im Schweben,
Schwanken, Bammeln unergetzlich
Unsere Gliederchen, die lieber erst im Tanze sich ergetzten,
Ruhten drauf an Liebchens Brust.
Helena
Schmerz empfind ich, keine Furcht;
Doch kennst du Rettung, dankbar sei sie anerkannt.
Sprich und sag es an!
Phorkyas 
Dort hinten still im Gebirgtal hat ein kühn Geschlecht         
Unersteiglich feste Burg sich aufgetürmt,                   
Von da sie Land und Leute placken, wie`s behagt.
Helena
Das konnten sie vollführen? Ganz unmöglich scheint`s.
Ist einer Herr? Sind`s Räuber viel, Verbündete?
Phorkyas 
Nicht Räuber sind es, Einer aber ist der Herr.
Helena
Wie sieht er aus?
Phorkyas 
Nicht übel! Mir gefällt er schon.
Es ist ein munterer, kecker, wohlgebildeter,
Wie unter Griechen wenig, ein verständ`ger Mann.
Man schilt das Volk Barbaren; doch ich dächte nicht,
Dass grausam einer wäre, wie vor Ilios
Gar mancher Held sich menschenfresserisch erwies.            
Ich acht` auf seine Großheit, ihm vertraut ich mich.
Und seine Burg! Die solltet ihr mit Augen sehn!
Da seht ihr Säulen, Säulchen, Bogen, Bögelchen,
Altane, Galerien, zu schauen aus und ein,
Da könnt ihr tanzen!
Chor
Sage: gibt`s auch Tänzer da?
Phorkyas 
Die besten! Goldgelockte, frische Bubenschar!
Die duften Jugend! Paris duftete einzig so,
Als er der Königin zu nahe kam.
Helena
Du fällst
Ganz aus der Rolle; sage mir das letzte Wort!
Phorkyas 
Du sprichst das letzte, sagst mit Ernst vernehmlich Ja!
Sogleich umgeb ich dich mit jener Burg.
Chor
O sprich
Das kurze Wort und rette dich und uns zugleich!
Helena
Ich fürchte, Gutes wendest du zum Bösen um.
Vor allem aber folgen will ich dir zur Burg;
Alte, geh voran!
Chor
Wie gern gehen wir hin
Eilenden Fußes;
Hinter uns Tod,
Freiem Blicke, starr entgegen.
Ist`s ein Hof? Ist`s tiefe Grube?
Schauerlich in jedem Falle!
Schwestern, ach! Wir sind gefangen,
So gefangen wie nur je.
 
 
 
Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü