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Faust 2015 > Ebene 37 Klassische Walpurgisnacht
37 Klassische Walpurgisnacht / 4
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Felsbuchten des ägäischen Meeres                                    
 
Szenenbild 22
In diesem letzten Abschnitt der „Klassischen Walpurgisnacht“, an den Felsbuchten des Ägäischen Meeres, kommt es zum „Zeugungsakt“ an sich. Dieser Zeugungsakt muss verallgemeinert verstanden werden. Nicht das Eindringen des Homunculus in die Vagina der Galatea, sondern die Menschwerdung des unfertigen Halblebewesen, des unfertigen Homunculus, durch eine „Neugeburt“, ist Inhalt und Höhepunkt des Geschehens.
Nicht der Akt als solcher, sondern die Verschmelzung zweier Körper in Liebe lässt neues Leben entstehen. Diese Verschmelzung hat der Alchimist Dr. Wagner im Labor außeracht gelassen und somit fehlt dem Körper des Homunculus die wichtigste Lebensgrundlage – die Fähigkeit, zu lieben. Dieser Fähigkeit ist auch Faust nicht mächtig. Die wahre Liebe ahnt Faust erst kurz vor seinem Tode.
Der folgende Abschnitt wird somit im doppelten Sinne zur „Hymnische Erosfeier“. Unter dem Aspekt, dass sich auch dieses Geschehen in den Traumvisionen Fausts abspielt, ahnt lediglich Faust als „trockener“ Wissenschaftler die hohe Bedeutung dieses Fehlens des einen Teiles des menschlichen Wertes, eben der Liebesfähigkeit.
Der Bühnenboden verwandelt sich parallel zum Auftreten der Akteure in Strand und Meer. Das Meer wird von oben auf den Bühnenboden filmisch mit leichten Wellenkämmen projiziert. Links und rechts bauen sich die Felsen imitierenden Kuben auf, auf die noch während der Verwandlung die Sirenen und Nereiden klettern bzw. einschweben. Die Tritonen, nackte oder leicht bekleidete starke Männer, positionieren sich nur auf dem Strand in unmittelbarer Nähe zu den Kuben.
Im rechten Bühnenvordergrund liegt vorerst unmotiviert eine riesige Muschel, die sich später als Wohnung des Nereus, des Vaters der Galatea, entpuppt.
Bereits während die Sirenen, Nereiden und Tritonen ihre Positionen einnehmen, sprechen sie im Wechsel ihre Verse untermalt von leiser Musik aus einer Mahlerschen Sinfonie.
Während dieser Szene erscheint bis Vers 8043 die blasse Mondscheibe am rechten Himmel.
Sirenen
Blicke ruhig von dem Bogen
Deiner Nacht auf Zitterwogen
Mildeblitzend Glanzgewimmel
Und erleuchte das Getümmel,
Das sich aus den Wogen hebt!
Dir zu jedem Dienst erbötig,
Schöne Luna, sei uns gnädig!           
 
Nereiden und Tritonen
Tönet laut in schärfern Tönen,
Die das breite Meer durchdröhnen,
Volk der Tiefe ruft fortan!
Vor des Sturmes grausen Schlünden
Wichen wir zu stillsten Gründen,
Holder Sang zieht uns heran.
Schwestern, Brüder, jetzt geschwind!
Heut bedarf`s der kleinsten Reise                                
Zum vollgültigsten Beweise,
Dass wir mehr als Fische sind.
 
Szenenbild 23
Thales schwebt auf seiner Scheibe ein und Homunculus springt in wildem Sprung an seine Seite. Das Gespräch zwischen Thales und Homunculus beginnt bereits während der Verwandlung.
Durch den Horizontvorhang wird das Floss, auf dem die beiden Sprecher für Thales und Homunculus stehen, sichtbar. Die Mondscheibe wird von der Thalesscheibe verdeckt. Die Sirenen, Nereiden und Tritonen bleiben möglichst unauffällig auf ihren Standplätzen. 
Thales 
Ich führte dich zum alten Nereus gern;
Das ganze menschliche Geschlecht
Macht`s ihm, dem Griesgram, nimmer recht.
Doch ist die Zukunft ihm entdeckt,
Dafür hat jedermann Respekt                                              
Und ehret ihn auf seinem Posten;
Auch hat er manchem wohlgetan.
 
Noch vor seinem Erscheinen hört man Nereus in der Tiefe des riesigen Schneckengehäuses sprechen. Die Stimme ist dumpf und mit singendem und rauschendem Nachhall versehen. 
 
Homunculus
Probieren wir`s und klopfen an!
 
Nereus
Sind`s Menschenstimmen, die mein Ohr vernimmt?
Wie es mir gleich im tiefsten Herzen grimmt!
Gebilde, strebsam, Götter zu erreichen,
Und doch verdammt, sich immer selbst zu gleichen.
 
Homunculus schwebt vor dem Kopf des Thales, als möchte er Schutz bei ihm suchen.
 
Thales 
Und doch, o Greis des Meers, vertraut man dir;
 
Nereus steckt seinen greisen Kopf aus dem Schneckenhaus und antwortet ziemlich verbittert und sehr laut:
 
Nereus
Was Rat! Hat Rat bei Menschen je gegolten?
Ein kluges Wort erstarrt im harten Ohr.
Sooft sich Tat auch grimmig selbst gescholten,
Bleibt  doch das Volk selbstwillig wie zuvor.
Wie hab ich Paris väterlich gewarnt,                                                       
Eh sein Gelüst ein fremdes Weib umgarnt!
 
Thales 
Dem weisen Mann gibt solch Betragen Qual;
Der Gute doch versucht es noch einmal.
Ein Quentchen Danks wird, hoch ihn zu vergnügen,
Die Zentner Undanks völlig überwiegen.
Denn nicht Geringes haben wir zu flehn:
Der Knabe da wünscht weislich zu entstehn.
 
Ein donnerndes Gelächter erfüllt das Theater, bevor Nereus antwortet. Seine Stimme wieder barsch und befehlshaberisch:
 
Nereus
Hinweg zu Proteus! Fragt den Wundermann. 
 
Nereus zieht sich in sein Haus zurück. Enttäuscht schaukelt die Thales-Scheibe am Himmel. Homunculus macht zornige Sprünge. Er berührt mit den Füßen einige Male den Strandboden. Die nächsten Verse des Thales lassen nicht sehr viel Hoffnung auf eine erfolgreiche Begegnung mit dem verwandlungsfähigen und wahrsagenden Meeresgott Proteus.
 
Thales 
Wir haben nichts durch diesen Schritt gewonnen;
Versuchen wir`s und wandeln uns`res Pfads!
 
Die Sirenen, Nereiden und Tritonen sitzen und liegen nach wie vor auf den Felsen und blicken neugierig auf das Meer.
 
Sirenen
Was sehen wir von weiten
Das Wellenreich durchgleiten?
 
Szenenbild 24
Delphine und eine Schildkröte erscheinen auf der Meeresoberfläche und bereiten das Erscheinen der Muschel vor, aus denen die Kabiren kommen werden. Diese geschlechtslosen Ungestalten der griechischen Mythologie in Form von schwarzen Luftballons mit Aufdruck von überlebensgroßen Augen unterschiedlicher Tiere und Menschen pressen sich zwischen den geöffneten Muschelhälften hindurch und schweben in die Höhe. Die folgenden Texte wurden drastisch gekürzt, so dass der Kabirenspuk keine Minute andauert.
Sirenen
Klein von Gestalt,                                                                                   
Groß von Gewalt.
 
Nereiden und Tritonen
Diese Unvergleichlichen
Wollen immer weiter,
Sehnsuchtsvolle Hungerleider
Nach dem Unereichlichen.
 
Szenenbild 25
Im Laufe dieser Szene fallen die luftlos gewordenen Kabirenballons auf die Bühne zurück.
Homunculus springt auf den Strand und sieht die herumliegenden leblosen Kabiren (zerplatzte Luftballons), ergreift einige, schaut sie sich skeptisch an und wirft sie mit Ekel ins Meer. Dort verschwinden sie in den Wellen. Die sonore Stimme des noch unsichtbaren Proteus wird über Lautsprecher eingespielt.
Proteus 
So etwas freut mich alten Fabler!
Je wunderlicher, desto respektabler.
 
Thales 
Wo bist du, Proteus?
 
Proteus 
Hier! Und hier!
 
Thales 
Den alten Scherz verzeih ich dir;
Ich weiß: du sprichst vom falschen Orte.
 
Proteus 
Leb wohl!
 
Thales 
Er ist ganz nah.
Er ist neugierig wie ein Fisch,          
 
Thales und Homunculus beobachten den Schildkrötenkopf, der größer werdend am Horizont erscheint. Homunculus ist fasziniert von der Erscheinung und steigt dem Thales auf die Schultern. Die wachsende Schildkröte wird partiell angestrahlt. Deshalb kann Proteus in dieser Gestalt zu recht als anmutig Leuchtender bezeichnet werden.
 
Proteus 
Was leuchtet so anmutig schön?
 
Thales 
Gut! Wenn du Lust hast, kannst du`s  näher sehn.
Wer schauen will, was wir verhüllen.
 
Szenenbild 26
Proteus hat sich verwandelt in einen vielgestaltigen Meeresgott und kommt, umgeben von wallenden Tüchern, die vom Wind vieler Ventilatoren über den gesamten Bühnenraum geweht werden, über die Wogen schwebend auf Thales und Homunculus zu.
Proteus ist sehr dicht an Thales und Homunculus herangekommen und lässt eines der Tücher über bzw. um sie herumwedeln.
Thales 
Gestalt zu wechseln, bleibt noch deine Lust.
 
Proteus 
Ein leuchtend Zwerglein! Niemals noch gesehn!
 
Thales 
Es fragt um Rat und möchte gern entstehn.
Er ist, wie ich von ihm vernommen,
Gar wundersam nur halb zur Welt gekommen:
Ihm fehlt es nicht an geistigen Eigenschaften,
Doch gar zu sehr am Greiflich - Tüchtighaften.
Doch wär er gern zunächst verkörperlicht.
 
Proteus 
Du bist ein wahrer Jungfernsohn:
Eh du sein solltest, bist du schon!
 
Thales 
Auch scheint es mir von andrer Seite kritisch:
Er ist, mich dünkt, hermaphroditisch.
 
Proteus steht direkt vor Homunculus und nimmt ihn sehr genau in Augenschein. Auf die Bemerkung „hermaphroditisch“ greift er mit seinem Schildkrötenmaul zum Körper des Homunculus, fasst sein im Lendenschurz verborgenes Geschlechtsteil, greift nach den Brüsten, die eine beachtliche Größe haben. Er macht eine zustimmende Bemerkung nach dieser Überprüfung der Zwitterhaftigkeit des nur halb entwickelten Menschen. Er macht einen interessierten Eindruck am Anliegen des Homunculus und zeigt mit seinen Handbewegungen, dass er die Männlichkeit des „Unvollkommenen“ favorisieren möchte
 
Proteus 
Im weiten Meere musst du beginnen!
 
Homunculus
Hier weht gar eine weiche Luft,
Es grunelt so, und mir behagt der Duft!             
 
Proteus 
Das glaub ich, allerliebster Junge!
Da vorne sehen wir den Zug,
Der eben herschwebt, nah genug.
Kommt mit dahin!
 
Proteus hat Homunculus an der Hand genommen und macht zwei Schritte auf das wogende Meer zu.
 
Thales 
Ich gehe mit.
 
Homunculus
Dreifach merkwürdiger Geisterschritt!                         
 
In dieser kurzen Übergangsszene wird der Text vom Chor der Sirenen, Nereiden und Tretonen übernommen. Während des kurzen Textes verwandelt sich die Erscheinung des Proteus in einen Delphin, der ab jetzt im Meer agieren wird. Musikuntermalung.
 
Proteus 
Das Erdetreiben, wie`s auch sei,
Ist immer doch nur Plackerei;
Dem Leben frommt die Welle besser;
Dich trägt ins ewige Gewässer
 
Protheus-Delphin
Schon ist`s getan!
Vermähle dich dem Ozean.
 
Thales 
Da regst du dich nach ewigen Normen
Durch tausend, abertausend Formen,
Und bis zum Menschen hast du Zeit.
 
Homunculus springt in unmittelbare Nähe zum Delphin-Proteus, streicht ihm über den Kopf, krault ihn. Proteus lässt sich das gern gefallen und ist bereit, Homunculus zu helfen.
 
Protheus-Delphin
Komm geistig mit in feuchte Weite,                            
Da lebst du gleich in Läng und Breite,
Beliebig regest du dich hier;
Nur strebe nicht nach höheren Orden:
Denn bist du erst ein Mensch geworden,
Dann ist es völlig aus mit dir.
 
Thales 
Nachdem es kommt; `s ist auch wohl fein,                           
Ein wackrer Mann zu seiner Zeit zu sein.
 
Protheus-Delphin
So einer wohl von deinem Schlag!                                                 
Das hält noch eine Weile nach;
Denn unter bleichen Geisterscharen
Seh ich dich schon seit vielen hundert Jahren.
 
Sirenen
Tauben sind es, liebentzündet,
Fittiche, wie Licht so weiß.
Heitre Wonne voll und klar!
 
Szenenbild 27
Ein riesiger Taubenschwarm fliegt am Himmel. Nereus ist aus seinem Schneckengehäuse gekrochen und nimmt eine große Gestalt an. Er will seine Tochter Galatea begrüßen.
 
Nereus
Tauben sind es, die begleiten
Meiner Tochter Muschelfahrt.
 
Im Chor beginnen die Sirenen zu singen. Die Doriden stimmen in den Sprechgesang später ein.
 
Sirenen
Leicht bewegt, in mäßiger Eile,                                             
Um den Wagen, Kreis um Kreis,
Bald verschlungen Zeil an Zeile,                                           
Schlangenartig reihenweis,
Naht euch, rüstige Nereiden,
Derbe Frau`n, gefällig wild,
Bringet, zärtliche Doriden,
Galateen, der Mutter Bild:                                          
Ernst, den Göttern gleich zu schauen,
Würdiger Unsterblichkeit,
Doch wie holde Menschenfrauen
Lockender Anmutigkeit.
 
Doriden      
Leih uns Luna Licht und Schatten,                              
Klarheit diesem Jugendflor!
Denn wir zeigen liebe Gatten
Unserm Vater bittend vor.
 
Nereus
Mögt euch des schönen Fanges freuen,
Den Jüngling bildet euch als Mann!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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