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Faust 2015 > Ebene 14 Marthes Garten
14 Marthes Garten
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Im Hintergrund ist die Kirche aus den vergangenen Bildern zu sehen. Das große Kreuz schwebt fast waagerecht über der Vorderbühne und stellt das Dach eines Vorbaus dar. Ein Rosenspalier. Marthe ist mit den Rosen beschäftigt. Sie unterbricht die Arbeit, ruht sich auf einer Gartenbank. Panthyrann erscheint und lauscht. Marthe sitzt breitbeiniger auf der Bank als es schicklich ist.
Marthe
Gott verzeih`s  meinem lieben Mann,
Er hat an mir nicht wohlgetan!
Tät ihn doch wahrlich nicht betrüben,
Tät ihn, weiß Gott! recht herzlich lieben.
 
Sie putzt sich etwas zu geräuschvoll die Nase und unterdrückt ein aufkommendes, sehr gekünsteltes Weinen.
 
Marthe
Vielleicht ist er gar tot! - O Pein! - -
Hätt ich nur einen Totenschein!
 
Margarethe kommt von links gerannt. Es ist später Nachmittag. Sie ist wieder nur in Rock und Bluse gekleidet. In den Händen trägt sie etwas Schweres, dass sie in ihrem blauen Umhang lose eingewickelt hat. Sie dreht sich einige Male ängstlich um, um zu sehen, dass sie auch niemand sieht. Kaum ist sie am Gartentor angelangt, ruft sie:
 
Margarethe
Frau Marthe!
 
Marthe
Gretelchen, was soll`s?
 
Frau Marthe steht auf und geht Margarethe einige Schritte entgegen. Außer Atem kommt Margarethe auf Frau Marthe zu, stellt das verhüllte Kästchen auf der Bank ab und umarmt ihre Freundin mit gewohnt flüchtiger Herzlichkeit.
 
Margarethe
Fast sinken mir die Kniee nieder!
Da find ich so ein Kästchen wieder
Und Sachen, herrlich ganz und gar,
Weit reicher als das erste war.
 
Marthe
Das muss sie nicht der Mutter sagen;
Tät`s wieder gleich zur Beichte tragen.
 
Szenenbild 02
Margarethe nimmt behutsam das Kästchen aus dem Versteck, stellt es auf die Bank, öffnet es und deckt es zur Hälfte mit dem Umhang zu.
Margarethe
Ach, seh sie nur!  
 
Sie beginnen in der Schmuckschatulle zu wühlen, lassen sich das Geschmeide durch die Hände gleiten und kommen aus dem Staunen nicht heraus
 
Marthe
O du glückselge Kreatur!
 
Margarethe
Darf mich leider nicht auf der Gassen
Noch in der Kirche mit sehen lassen.
 
Marthe
Komm du nur oft zu mir herüber
Und leg den Schmuck hier heimlich an;
Wir haben unsre Freude dran;
 
Margarethe
Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?
Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
 
Man hört ein Geräusch, ein Schlurfen auf dem Kiesweg. Beide halten erschrocken inne und verstecken eiligst den Schmuck im Kästchen. Natürlich vergisst Margarethe in der Eile, sich eine Halskette, einen hauchdünnen Goldreif mit einem filigranen aber recht großflächigen Anhänger abzunehmen. Während des Abräummanövers hat sich der Anhänger unter der Bluse verfangen, so dass er auch Frau Marthe nicht auffallen konnte.
 
Margarethe
Ach Gott! mag das meine Mutter sein?
 
Marthe
Es ist ein fremder Herr - Herein!
 
Mephistopheles kommt auf die Bühne. Er zeigt sich auffällig überrascht, als er die beiden Frauen entdeckt, nimmt aber die Aufforderung hereinzukommen, dankbar an. Einige Schritte vor den beiden bleibt er stehen, schaut sie musternd an. Für die  Frauen nicht sichtbar, macht er eine Geste, die er mit schnippendem Finger unterstützt und die besagen könnte: Ha, jetzt geht`s los, das wird ein Spaß, dich zu verführen, süßes Püppchen. 
 
Mephistopheles
Bin so frei, grad hereinzutreten,
muss bei den Frauen Verzeih`n erbeten.
 
Szenenbild 03
Mephistopheles spult seine Verse ab. Marthe findet sich sehr schnell mit der Todesnachricht ab und wendet sich den praktischen Seiten der Geschichte zu. Während der letzten Worte läuft hinter dem Rosenspalier lautlos Panthyrann vorbei. Es kommt zu einem kleinen begrüßenden Zunicken in Richtung Mephistopheles, der sein böses Spiel beginnt. 
Mephistopheles
Szenenbild 04
Wollte nach Frau Marthe Schwertlein fragen!
Marthe
Ich bin`s! Was hat der Herr zu sagen?
 
Er geht dicht an Frau Marthe heran, unanständig dicht, und flüstert ihr, absichtlich laut genug, dass es die abseits stehende Margarethe als eigentlich Angesprochene auch ja mithören kann.
 
Mephistopheles
Ich kenne sie jetzt, mir ist das genug;
Sie hat da gar vornehmen Besuch.
Will Nachmittage wiederkommen.
 
Margarethe
Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
 
Mephistopheles
Ach, es ist nicht der Schmuck allein;
 
Frau Marthe spürt die Zuneigung, die der Fremde mehr der kleinen Margarethe als ihr entgegenbringt. Das macht sie wütend. 
 
Marthe
Was bringt er denn?
 
Mephistopheles beginnt, die zurecht gelegten Verse abzuspulen.
 
 
Mephistopheles
Ich wollt, ich hätt eine frohere Mär!
Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen.
 
Marthe
Ist tot? das treue Herz! O weh!
Mein Mann ist tot! Ach, ich vergeh!
 
Margarethe zeigt ehrliches Entsetzen über die schlimme Neuigkeit und bemüht sich sofort, die Ärmste zu trösten, indem sie die Freundin in den Arm nimmt. 
 
Margarethe
Ach, liebe Frau, verzweifelt nicht!
 
Der Schreck über die Neuigkeit bleibt kurz. 
 
Mephistopheles
Er liegt in Padua begraben
Beim heiligen Antonius.
 
Marthe
Habt ihr sonst nichts an mich zu bringen?
 
Mephistopheles
Ja, eine Bitte, groß und schwer:
Lass sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!
Im übrigen sind meine Taschen leer.
 
Marthe
Was! Nicht ein Schaustück? kein Geschmeid?
 
Mephistopheles
Madam, es tut mir herzlich leid;
Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
 
Kaum hörbar murmelt Margarethe:
 
Margarethe
Ach, dass die Menschen so unglücklich sind!
 
Mephistopheles
Ihr wäret wert, gleich in die Eh zu treten:
Ihr seid ein liebenswürdig Kind.
 
 
Margarethe
Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.
 
Mephistopheles
´s ist eine der größten Himmelsgaben,
So ein lieb Ding im Arm zu haben.
 
Und jetzt wird auch eine höchst peinliche Frage an sie gestellt. Sie hat ein unangenehmes Gefühl bei den dumm und aufdringlich wirkenden Anspielungen des Herrn. Entsprechend abweisend verhält sie sich auch. Nicht ohne Charme reagiert sie auf die Frage:
 
Mephistopheles
Wie steht es denn mit ihrem Herzen?
 
Margarethe
Was meint der Herr damit?
 
Mephistopheles hat keine Lust mehr, die Szene unnütz in die Länge zu treiben. Was gesagt werden sollte, ist gesagt. Eingefädelt ist alles. Man kann auf Morgen warten und die Geschichte weiterführen. Er will sich schnell verabschieden und flüchten. Er fühlt, dass er Margarethe noch etwas Nettes sagen muss,  was sie ihm gegenüber wieder besser stimmt.
 
 
Mephistopheles
Du guts, unschuldigs Ding!
Lebt wohl, ihr Frau`n!
 
Margarethe
Lebt wohl!
 
Jetzt hätte er doch fast vergessen, einen Termin für das nächste Treffen vorzubereiten. Wie gut, dass Frau Marthe ihm so hilfreich unter die Arme greift, indem sie ihm zuruft:
 
Marthe
O sagt mir doch geschwind -
Ich möchte gern ein Zeugnis haben,
Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.
 
Mephistopheles
Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund
Wird allerwegs die Wahrheit kund.
Habe noch einen feinen Gesellen,
Ich bring ihn her.
 
Marthe
O tut das ja!
 
Jetzt fällt es Margarethe wie Schuppen von den Augen und sie durchschaut das Spiel, in das sie eingesponnen wurde. Auch entsinnt sie sich endlich an das Gesicht, das ihr beim ersten Mal schon als höchst unangenehme Physiognomie auffiel. Sie wendet sich ab von den beiden und hält beschämt beide Hände vor ihren Mund. Dieser Mann, der ihr nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist seit dieser kurzen Begegnung nach dem Kirchgang, steckt hinter allem und der hier spielt den Kuppler. Es drängt sie, fortzulaufen, zuvor aber diesem abscheulichen Kerl den ganzen Reichtum vor die Füße zu werfen und ihn samt seinem Auftraggeber zum Teufel zu jagen. Aber sie bringt kein Wort über die Lippen. Ihre Hände versagen ihr den Dienst und das Bild des Unbekannten, dieser lächelnde freundliche Blick, bemächtigt sich ihrer Erinnerung und zwingt sie hinein in eine noch nie erlebte Schwäche. Mephistopheles, inzwischen einige Schritte entfernt, ruft:
 
Mephistopheles
Und hier die Jungfrau ist auch da? -
 
Marthe
Da hinterm Haus in meinem Garten
Wollen wir der Herrn heut abend warten.
 
Mephistopheles verschwindet. Margarethe löst eilig den unter der Bluse versteckten Schmuck, öffnet hastig das Kästchen und wirft den Anhänger wütend und geräuschvoll hinein. Sie läuft die zwei Schritte auf Frau Marthe zu und wirft sich laut losweinend an ihren Hals. Frau Marthe weiß diesen Gefühlsausbruch nicht anders zu deuten als dass es Anteilnahme an ihrem Schicksal ist, dass sie auf so schändliche Weise zur Witwe wurde. Sie lächelt ein wenig über dem Kopf des liebenswürdigen Kindes und streicht Margarethe über das Haar, fragt sich aber dabei, was wohl der Schmuck in dem Kästchen dafür können soll.  Dabei verdunkelt sich die Bühne und es wird zum nächsten Bild vorbereitet.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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