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Faust 2015 > Ebene 08 Bibliothek 2
08 Bibliothek 2 / Teil 1
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Faust schläft in der gleichen Stellung wie er am Ende des vorangegangenen Bildes von Mephistopheles und Panthyrann verlassen wurde. Beide Bilder werden lediglich durch die Verdunklung voneinander getrennt. Die Bühne erhellt sich. Faust erwacht und erinnert sich an die mysteriösen Vorfälle, springt entsprechend seines Alters schwerfällig aus dem Sessel und läuft aufgeregt hin und her. Er bemerkt nicht, dass sich die Bühne verändert.schläft in der gleichen Stellung wie er am Ende des vorangegangenen Bildes von Mephistopheles und Panthyrann verlassen wurde. Beide Bilder werden lediglich durch die Verdunklung voneinander getrennt. Die Bühne erhellt sich. Faust erwacht und erinnert sich an die mysteriösen Vorfälle, springt entsprechend seines Alters schwerfällig aus dem Sessel und läuft aufgeregt hin und her. Er bemerkt nicht, dass sich die Bühne verändert. 
Faust
Bin ich denn abermals betrogen?
Verschwindet so der geisterreiche Drang,                             
Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen
Und dass ein Pudel mir entsprang?
 
Szenenbild 02
Das Fenstermotiv verändert sich. Es wird transparenter und Mephistopheles wird erkennbar. Faust irrt im Raum aufgeregt umher.
Mephistopheles 
So gefällst du mir!
Wir werden, hoff ich, uns gut vertragen;
 
Szenenbild 03
Beide stehen in der Nähe des Lesepultes und Faust fängt sofort in der gewohnten Weise an zu lamentieren. Mit abwertender Gebärde schiebt Mephistopheles die Bibel vom Lesepult. Sie fällt krachend zu Boden. Dafür legt er sein Buch hin und beginnt zu blättern, indem er die Seiten geräuschvoll über den Daumen rattern lässt.
Faust
Ich bin zu alt, um nur zu spielen,
Zu jung, um ohne Wunsch zu sein.
Was kann die Welt mir wohl gewähren?
Entbehren sollst du! sollst entbehren!
Das ist der ewige Gesang,
Der Gott, der mir im Busen wohnt,
Kann tief mein Innerstes erregen;
Der über allen meinen Kräften thront,
Er kann nach außen nichts bewegen.
Und so ist mir das Dasein eine Last,.
Der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.
 
Mephistopheles lässt das Buch während der letzten Zeile geräuschvoll zufallen, so dass Faust ein erschrockenes Gesicht macht, schlägt mit beiden Handflächen darauf und lässt mit spitzbübischem Unterton die Worte hören:
 
Mephistopheles 
Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommener Gast.
 
Faust genießt die Wortwahl seiner Selbstanklage, seiner Lustlosigkeit, ist in sich gefangen und redet weiter so, als wäre er gezwungenermaßen an gute Wortwahl, an Reime, an kluge Ausdrucksweise gebunden und provoziert damit das maliziöse, geringschätzige Lächeln in Mephistopheles` Mundwinkeln. 
 
Faust
O selig der, dem er im Siegesglanze
Die blutg`en Lorbeer`n um die Schläfe windet,
Den er, nach rasch durchrastem Tanze,
In eines Mädchen Armen findet!
O wär ich vor des hohen Geistes Kraft
Entzückt, entseelt dahingesunken!
 
Mephistopheles 
Und doch hat jemand einen braunen Saft,                  
In jener Nacht, nicht ausgetrunken!
 
Faust
Das Spionieren, scheint`s, ist deine Lust.
 
Mephistopheles 
Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst.
 
Der Zorn Fausts war kurz und die Freude über die Möglichkeit, Gedanken zu formen und auszusprechen, ist groß. Er bereitet sich zu neuer Rede vor und spult sie ab:
 
Faust
Wenn aus dem schrecklichen Gewühle
Ein süß-bekannter Ton mich zog,
Den Rest von kindlichem Gefühle
Mit Anklang froher Zeit betrog,
So fluch ich allem, was die Seele
Mit Lock - und Gaukelwerk umspannt
Und sie in diese Trauerhöhle
Mit Blend - und Schmeichelkräften bannt!
 
Panthyrann, der unbemerkt durch das Fenster gestiegen ist, steht als stiller Beobachter, unsichtbar für Faust, und gähnt gelangweilt zu Mephistopheles hinüber.
Der gibt ein Zeichen zurück und Musik setzt ein, die Faust nach weiteren Versen übertönt und zum Schweigen bringt. Musikmotiv aus einer Sinfonie von G. Mahler untermalt mit Fausts Sprechgesang und Geisterchor.
 
Faust
Verflucht voraus die hohe Meinung,
Womit der Geist sich selbst umfängt!
Verflucht das Blenden der Erscheinung,
Die sich an unsre Sinne drängt!
Verflucht, was uns in Träumen heuchelt,
Der Ruhms, der Namensdauer Trug!
 
Mephistopheles kann den Leierton Fausts nicht ertragen und macht einer Bewegung, die die links stehenden Kuben in Bewegung bringen. Die Steinwand mit dem riesigen Fenster beginnt, sich langsam in das Innere des Raumes zu bewegen. Noch bemerkt Fausts nichts von diesen Veränderungen.
Mephistopheles ändert seine Ausdrucksweise und geht zu einem sehr bestimmenden, eher kameradschaftlich ratenden Tonfall über:
 
Mephistopheles 
Hör auf, mit deinem Gram zu spielen,
Der wie ein Geier dir am Leben frisst!                         
Die schlechteste Gesellschaft lässt dich fühlen,
Dass du ein Mensch mit Menschen bist.
Doch so ist`s nicht gemeint,
Dich unter das Pack zu stoßen.
Ich bin keiner von den Großen;
Doch willst du mit mir vereint
Deine Schritte durchs Leben nehmen,
So will ich mich gern bequemen,
Dein zu sein, auf der Stelle.
Ich bin dein Geselle,
Und mach ich dir`s recht,
Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!
 
Faust
Und was soll ich dagegen dir erfüllen?
 
Mephistopheles 
Dazu hast du noch eine lange Frist.
 
Faust
Nein, nein! der Teufel ist ein Egoist
Und tut nicht leicht um Gottes willen,
Was einem andern nützlich ist.
Sprich die Bedingung deutlich aus!
Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus.
 
Mephistopheles 
Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden,
Auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhn;
Wenn wir uns drüben wiederfinden,
So sollst du mir das Gleiche tun
 
Faust
Das Drüben kann mich wenig kümmern;
Schlägst du erst diese Welt zu Trümmern,                  
Die andre mag darnach entstehen.
Aus dieser Erde quillen meine Freuden,
Und diese Sonne scheinet meinen Leiden;
Kann ich mich erst von ihnen scheiden,
Dann mag, was will und kann, geschehn.
Davon will ich nichts weiter hören,
Ob man auch künftig hasst und liebt
Und ob es auch in jenen Sphären
Ein Oben und ein Unten gibt.
 
Mephistopheles 
In diesem Sinne kannst du`s wagen.
Verbinde dich! du sollst in diesen Tagen                              
Mit Freuden meine Künste sehn;
Ich gebe dir, was noch kein Mensch gesehn.
 
Faust
Was willst du armer Teufel geben?
Ward eines Menschen Geist in seinem hohen Streben          
Von deinesgleichen je gefasst?                                              
Doch hast du Speise, die nicht sättigt? Hast                                  
Du rotes Gold, das ohne Rast,
Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt?
Ein Spiel, bei dem man nie gewinnt?
Ein Mädchen, das an meiner Brust
Mit Äugeln schon dem Nachbarn sich verbindet?
Der Ehre schöne Götterlust,
Die wie ein Meteor verschwindet?
Zeig mir die Frucht, die fault, eh man sie bricht,
Und Bäume, die sich täglich neu begrünen!
 
Mephistopheles 
Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht,
Mit solchen Schätzen kann ich dienen.
Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran,
Wo wir was Guts in Ruhe schmausen mögen.
 
Faust
Werd ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen,
So sei es gleich um mich getan!
Kannst du mich schmeichelnd je belügen,
Dass ich mir selbst gefallen mag,
Kannst du mich mit Genuss betrügen -
Das sei für mich der letzte Tag!
Die Wette biet ich!
 
Mephistopheles 
Topp!
 
Faust
Und Schlag auf Schlag!
Werd ich zum Augenblicke sagen:
Verweile doch! du bist so schön!
Dann magst du mich in Fesseln schlagen,
Dann will ich gern zugrunde gehn!
Dann mag die Totenglocke schallen,
Dann bist du deines Dienstes frei,
Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen,                                             
Es sei die Zeit für mich vorbei!
 
Mephistopheles 
Bedenk es wohl! wir werden`s nicht vergessen.
 
Faust
Dazu hast du ein volles Recht;
Ich habe mich nicht freventlich vermessen.
Wie ich beharre, bin ich Knecht,                                                    
Ob dein, was frag ich, oder wessen.
 
Mephistopheles 
Nur eins! - Um Lebens oder Sterbens willen
Bitt ich mir nur ein paar Zeilen aus. 
 
Faust
Auch was Geschriebenes forderst du Pedant?                                                           
Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?
Was willst du böser Geist von mir?
 
Mephistopheles 
Wie magst du deine Rederei
Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut.               
Blut ist ein ganz besond`rer Saft.
 
Faust
Nur keine Furcht, dass ich dies Bündnis breche!
Das Streben meiner ganzen Kraft
Ist gerade das, was ich verspreche.
Ich habe mich zu hoch gebläht,
In deinen Rang gehör ich nur,
Der große Geist hat mich verschmäht,
Vor mir verschließt sich die Natur.
Des Denkens Faden ist zerrissen,
Mir ekelt lange vor allem Wissen.
Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit
Uns glühende Leidenschaften stillen!
In undurchdrungnen Zauberhüllen
Sei jedes Wunder gleich bereit!
Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit,
Ins Rollen der Begebenheit!
Da mag denn Schmerz und Genuss,
Gelingen uns Verdruss
Miteinander wechseln, wie es kann:
Nur rastlos betätigt sich der Mann.
 
Mephistopheles 
Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt.
Beliebt`s euch, überall zu naschen,
Im Fliehen etwas zu erhaschen,
Bekomm euch wohl, was euch ergetzt.
Nur greift mir zu und seid nicht blöde!
 
Faust
Du hörest ja: von Freud ist nicht die Rede.
Dem Taumel weih ich mich, dem schmerzlichen Genuß,
Verliebten Hass, erquickenden Verdruß.
Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
Soll keinen Schmerzen sich verschließen,
Und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist,
Will ich in meinem Inneren genießen,
Mit meinem Geist das Höchst` und Tiefste greifen,
Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen,
Und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern
Und, wie sie selbst, am End auch ich zerscheitern!
 
Mephistopheles 
O glaube mir, der manche tausend Jahre
An dieser harten Speise kaut,
Dass von der Wiege bis zur Bahre
Kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!                  
Glaub unsereinem: dieses Ganze
Ist nur für einen Gott gemacht!
Er findet sich in einem ew`gen Glanze,                        
Uns hat er in die Finsternis gebracht,
Und euch taugt einzig Tag und Nacht
 
Faust
Allein ich will!
 
Mephistopheles 
Das lässt sich hören!
 
Faust
Was bin ich denn, wenn es nicht möglich ist,
Der Menschheit Krone zu erringen,
Nach der sich alle Sinne dringen?
 
Mephistopheles 
Du bist am Ende - was du bist.
Setz dir Perücken auf von Millionen Locken,
Setz deinen Fuß auf ellenhohe Socken,                                 
Du bleibst doch immer, was du bist.
 
Faust
Ich fühl`s, vergebens hab ich alle Schätze
Des Menschengeist auf mich herbeigerafft,
Und wenn ich mich am Ende niederwetze,
Quillt innerlich doch keine neue Kraft;
Ich bin nicht um ein Haar breit höher,
Bin dem Unendlichen nicht näher.
 
Mephistopheles 
Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen,
Wie man die Sachen eben sieht;
Wir müssen das gescheiter machen,
 
Faust
Wie fangen wir das an?
 
Mephistopheles 
Wir gehen eben fort.
Was ist das für ein Marterort!
Was heißt das für ein Leben führen,
Sich um die Jungens ennuyieren!                                          
Das Beste, was du wissen kannst,
Darfst du den Buben doch nicht sagen. -
Gleich hör ich einen auf dem Gange!
 
Faust
Mir ist`s nicht möglich, ihn zu sehen.
 
Er öffnet eine Tür des Lesepultes, von deren Existenz Faust nicht wusste und reicht Faust ein Bündel mit den Bekleidungsstücken.
 
Mephistopheles 
Komm, gib mir deinen Rock und Mütze!
Die Maske muss mir köstlich stehn.
 
Szenenbild 04
Auf der Hinterbühne ist schüchternes Klopfen zu hören. Mephistopheles schnippt mit dem Finger, sucht nach einer bestimmten Seite des Buches und zieht sich eilig den Mantel Fausts über.
Er ruft Faust nach:
Mephistopheles 
Ich brauch nur ein Viertelstündchen Zeit;
 
Zu sich selbst spricht er:
 
Mephistopheles 
Den schlepp ich durch das wilde Leben,
Durch flache Unbedeutenheit,
Er soll mir zappeln, starren, kleben,                                     
Und seiner Unersättlichkeit
Soll Speis und Trank vor giergen Lippen schweben,
Er wird Erquickung sich umsonst erflehn;
Und hätt er sich auch nicht dem Teufel übergeben,
Er müsste doch zugrunde gehn!
 
Szenenbild 05
Er zeigt beschwörend auf das Buch mit ausgestreckten Händen und die Bühne vollendet die bereits begonnene grandiose Verwandlung.
Das Glasfenster wird mehr und mehr transparent und während der Vordergrund noch dunkel bleibt, bilden sich in der Ferne gruppenweise Menschenköpfe, die sich zusammen fügen zu einer riesigen Arena, einer Weltarena, sich zu einen überdimensionalen Hörsaal verbinden. Eine Weltuniversität hat Mephistopheles hergezaubert.
Hinter den letzten, schon nicht mehr erkennbaren Hörsaalreihen sind Wolkengebilde entstanden, die die Erdkrümmung erkennen lassen. Es wird strahlende Helligkeit. Der Hörsaal ist besetzt mit Studenten aller Nationen, aller Trachten, beiderlei Geschlechtes. Da sitzen halbnackte Schwarzafrikaner neben verhüllten Muslimas, deren strahlende Augen durch die schmalen Sehschlitze ihrer Nigabs leuchten. Neben Eskimos sitzen Chinesen in ihren Nationaltrachten, neben extremen Jugendlichen der neuesten Zeit mit Irokesenschnitt und Leder-Look sitzen junge Novizen von den Klosterschulen. In den ersten Sitzreihen haben sich mehrere Schauspieler so positioniert, die als reale Personen von den filmisch Dargestellten nicht zu unterscheiden sind.
Es herrscht gespenstische erwartungsvolle Ruhe im grenzenlosen Saal. Mephistopheles steht gebückt über seinem Katheder, erhebt sich gemächlich und wendet Ehrfurcht gebietend seinen Kopf zur Masse der Anwesenden. Aus dem Saal wird leise und sehr respektvoll aber von vielen durcheinander gerufen.
Erste Stimme
Ich bin allhier erst kurze Zeit
Und komme voll Ergebenheit,
 
Zweite Stimme
Einen Mann zu sprechen und zu kennen,  
 
Dritte Stimme
Den alle mir mit Ehrfurcht nennen.
 
Mephistopheles gebietet mit einer Handbewegung Ruhe und dreht sich kurz um, sein Gesicht dem Theaterpublikum zeigend. Eine Totenkopffratze hat er sich aufgesetzt und ist furchtbar anzusehen.
Tief tönend beginnt Mephistopheles zu reden. Seine Worte verhallen in der Weite. Echos zeugen von dem langen Weg, den der Schall zurücklegen muss.
 
 
Mephistopheles 
Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!
Ihr seht einen Mann wie andre mehr.
Habt ihr euch sonst schon umgetan?
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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