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Faust 2015 > Ebene 09 Auerbachs Keller in Leipzig
09 Auerbachs Keller in Leipzig
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Die Bilder „09 Auerbachs Keller“, „10 OP - Saal“ und „11 Kirchplatz“ werden zu einem Szenenablauf zusammengefasst, gehen ineinander über.
Noch bevor sich der Vorhang langsam öffnet, weist eine Geräuschkulisse auf Bahnhofsatmosphäre hin. Ein herannahender Zug und Großstadtgeräusche, Bremsen haltender Züge quietschen. Undeutliche Lautsprecheransagen. Abfahren eines Zuges. Alle Geräusche machen deutlich, dass die Reise in das Ende des 20. Jahrhunderts geht. Für einen Moment ist Stille. Auf den Kubenwänden entsteht der Leipziger Hauptbahnhof.
Von Ferne naht ein Zug - Bremsen quietschen schmerzhaft. Die Bronzeplastik, deren Original vor dem Eingang des „Auerbachs Keller“ in Leipzig steht, wird auf eine Projektionsfläche vor den Kuben projiziert.
Der große Brunnen, hinter dem sich vier Saufkumpane noch unsichtbar aufhalten, wird beleuchtet. Aus der Wasseröffnung läuft ein spärlicher Wasserstrahl. Ein Schild mit der Aufschrift KEIN TRINKWASSER.
Mephistopheles und Faust treten zwischen den beiden linken Kuben hervor und laufen zum linken Bühnenrand, drehen sich um, entdecken den Brunnen, an dem sich vier Männer postiert haben. Diese stehen bzw. sitzen an der Brunnenwand, haben mehrere Weinflaschen und Becher auf die Brunnenbrüstung gestellt und trinken. Nüchtern sind sie nicht mehr.
Faust drängt Mephistopheles zum Umkehren. Ihm ist der Anblick der jungen Männer unangenehm und er macht eine entsprechend verächtliche Handbewegung und hindert Mephistopheles am Weitergehen. Mephistopheles hält Faust gewaltsam fest. Noch stehen beide abseits und unbemerkt von den Männern, die zu grölen beginnen.
Frosch
Es war eine Ratt` im Kellernest,
Lebte nur von Fett und Butter,
Hatte sich ein Ränzlein angemäst`t
Als wie der Doktor Luther.
Die Köchin hatt` ihr Gift gestellt;
Da ward`s so eng ihr in der Welt,
Als hätte sie Lieb im Leibe.
 
Chorus
Als hätte sie Lieb im Leibe!
 
Brander      
Sie fuhr herum, sie fuhr heraus
Und soff aus allen Pfützen,
 
Brander nimmt einen langen Schluck aus einer Weinflasche, stellt sie ungeschickt zurück auf den Brunnenrand, so dass sie in den Brunnen fällt. Er macht eine fluchende Gebärde und vergisst darüber, weiter zu singen. Jetzt erst bemerken die Vier, dass sie nicht allein sind, sondern schon länger beobachtet werden. Das macht sie unsicher. Soll man die beiden Fremden, höchst eigenartig aussehenden Gestalten an sich herankommen lassen oder sofort auf Konfrontation gehen?  Mephistopheles zu Faust:
 
Mephistopheles 
Ich muss dich nun vor allen Dingen
In lustige Gesellschaft bringen
 
Brander      
Die kommen eben von der Reise,
Man sieht`s an ihrer wunderlichen Weise.
 
Siebel drängt Frosch einige Schritte zur Seite und fragt leise:
 
Siebel
Für was siehst du die Fremden an?
 
Frosch
Sie sehen stolz und unzufrieden aus.
 
Brander und Altmeyer setzen sich provokativ auf den Rand des Brunnens.
 
 
Brander
Marktschreier sind`s gewiss, ich wette!
 
Altmayer    
Vielleicht.
 
Frosch
Gib acht, ich schraube sie!
 
Mephistopheles 
Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beim Kragen hätte.
 
Nun übernimmt Faust die Initiative und beginnt das Gespräch, denn er hat gemerkt, dass er an der Bekanntschaft mit dieser unangenehmen Saufbrüderschaft nicht vorbeikommt.
 
Faust 
Seid uns gegrüßt, ihr Herrn!
 
Mephistopheles 
Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?
 
Mephistopheles dreht von seinem Stockschirm den Griff ab und verwendet den Schirm als Trinkrohr, indem er die Schirmspitze
in den Brunnen steckt, mit dem ersten Zug das Rohr spült, und die Wasserladung in hohem Bogen in den Brunnen zurück spritzt. Die nächste Füllung schluckt er genießerisch hinunter. Das erweckt die gewünschte Aufmerksamkeit.
 
Altmeyer
Da hast du`s! Der versteht`s!
 
Siebel         
Ein pfiffiger Patron!
 
Frosch
Nun, warte nur, ich krieg` ihn schon!
 
Mephistopheles 
Wenn ich nicht irrte, hörten wir
Geübte Stimmen Chorus singen?
 
Damit hat Mephistopheles die Gesprächsführung übernommen.
 
Altmayer    
Gebt uns ein Lied!
 
Mephistopheles 
Wenn ihr begehrt, die Menge.
 
Mephistopheles beginnt zu singen, wird aber nach drei Zeilen ausgepfiffen und muss aufgeben.
 
Mephistopheles 
Es war einmal ein König,
Den liebt` er gar nicht wenig,
Der hatt` einen großen Floh,
 
Altmeyer ist wiederum die Leitperson und wechselt provokativ das Thema:
 
Altmayer             
Es lebe die Freiheit! Es lebe der Wein!
 
Mephistopheles muss endlich die Situation in den Griff bekommen und startet einen nächsten Versuch, an die Kerle heranzukommen
 
Mephistopheles 
Ich tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren,
Wenn eure Weine nur ein bisschen besser wären.
 
Siebel         
Wir mögen das nicht wieder hören!
 
Mephistopheles 
Ich fürchte nur, der Wirt beschwert sich;
Sonst gäb` ich diesen werten Gästen
Aus unserm Keller was zum besten.
 
Siebel         
Nur immer her! Ich nehm`s auf mich.
 
Mephistopheles geht auf den Brunnen zu, beugt sich unter den vor sich hin kleckernden Wasserstrahl, begutachtet die Öffnung des Auslaufrohres, nickt vielsagend mit dem Kopf und winkt Faust zu sich. Mephistopheles lässt seine rechte Hand mit dem dünnen Wasserstrahl spielen.
 
Frosch
Wie meint ihr das? Habt Ihr so mancherlei?
 
Mephistopheles 
Ich stell es einem jeden frei.
 
Die Vier kommen langsam, höchst ungläubig zu Mephistopheles und stellen sich an der rechten Brunnenseite auf. Mephistopheles beugt sich wieder zum Wasserstrahl und murmelt einen Vers mit der Gebärde, die an das Melken einer Kuh erinnert. Einer der Vier sieht das und beginnt ein mörderisches Gekicher. Mephistopheles schaut verärgert zu ihm hinüber.
 
Mephistopheles 
Trauben trägt der Weinstock!
Ein tiefer Blick in die Natur!
Hier ist ein Wunder, glaubet nur!
 
Plötzlich erscheint der Wasserstrahl wie aufgedreht, das Wasser fließt mit vollem Strahl, wird gelb, scheint eigenes Licht auszusenden. Mephistopheles füllt ein Glas und reicht es Frosch. Die Vier sind plötzlich völlig nüchtern und beginnen, die Ärmel hoch zu krempeln, denn sie erwarten, gleich auf Mephistopheles losprügeln zu können, wenn der Spuk auffliegen wird.
 
Mephistopheles 
Nur hütet euch, dass ihr mir nichts vergießt!
 
Frosch kostet skeptisch einen kleinen Schluck, prüft nochmals ungläubig, indem er den Wein mit geschlossenem Mund wie bei einer Mundspülung bis in den letzten Winkel seiner Geschmacksnerven presst, schluckt herunter und beginnt über das ganze Gesicht mit versoffener Miene genießerisch zu grinsen. Der Frust und die Prügelbereitschaft sind verschwunden. Frosch fordert mit wüsten Gebärden die anderen auf, sich ebenfalls einschenken zu lassen. Sie lassen sich die Gläser füllen und trinken ein Glas nach dem anderen. Sie lassen sich voll laufen und nach wenigen Sekunden gebärden sie sich wie die Wilden, grölen und schreien:
 
Alle
Uns ist ganz kannibalisch wohl,
Als wie fünfhundert Säuen!
 
Mephistopheles nimmt Faust zur Seite und raunt ihm zu:
 
Mephistopheles 
Das Volk ist frei, seht an, wie wohl`s ihm geht!
 
Faust
Ich hätte Lust, nun abzufahren.
 
Mephistopheles 
Gib nur erst acht, die Bestialität
Wird sich gar herrlich offenbaren.
 
Szenenbild 02
Die Vier benehmen sich wie die Irren, spritzen sich voll, einer hängt über dem Brunnenrand und beginnt aus dem Brunnen Wasser zu schlürfen im Glauben, es müsste ebenfalls Wein sein. Einer sitzt auf dem Brunnenrand und sabbert vor sich hin. Ein anderer hat sich bereits zur Ruhe gelegt und beginnt zu schnarchen. Siebel hält seinen Daumen unter den Wasserhahn und zielt mit dem Strahl auf Mephistopheles. Mephistopheles wird nass, flucht und macht eine gezielte Handbewegung in Richtung Brunnen. Daraufhin beginnt der gesamte Brunnen wie ein Fonduetopf, der Feuer gefangen hat, zu brennen. Die drei noch Reaktionsfähigen schreien erschrocken durcheinander. Mephistopheles hält seinen Schirm über das Wasser, bläst hinein und eine riesige Stichflamme lodert auf.
Siebel
Helft! Feuer! helft! Die Hölle brennt!
 
Mephistopheles 
Sei ruhig, freundlich Element!
Für diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.
 
Siebel
Wart! Ihr bezahlt es teuer!
 
Mephistopheles 
Still, altes Weinfass!
 
Siebel
Besenstiel!
Du willst uns gar noch grob begegnen?
 
Brander
Wart` nur, es sollen Schläge regnen!
 
Altmayer
Ich brenne! Ich brenne!
 
Siebel
Zauberei!
Stoßt zu! Der Kerl ist vogelfrei!
 
Szenenbild 03
Sie torkeln zurück und rütteln den Schnarchenden wach, der aber völlig besoffen nur seine Stellung wechselt und die Tonlage seines Schnarchens ändert. Mephistopheles spricht in Richtung Brunnen ohne jede Ekstase:
Mephistopheles 
Falsch Gebild und Wort
Verändern Sinn und Ort!
Seid hier und dort!
 
Szenenbild 04
Mephistopheles nimmt Faust am Arm und verlässt mit ihm den Platz. Alle Vier sind so besoffen, dass sie erst einmal auf dem Pflaster liegen bleiben. Mephistopheles und Faust verschwinden zwischen den beiden Kuben, durch die sie die Bühne betreten haben.
Szenenbild 05
Während es auf der Bühne dunkler wird, versuchen die vier Männer, sich aufzuraffen. Es gelingt nur Frosch und Siebel. Sie schleppen sich zu dem wieder sehr spärlich tröpfelnden Wasserstahl. Sie beugen sich über den Rand und sind verärgert, dass alles Betrug war. Sie torkeln, die beiden anderen mitnehmend von der Bühne.
Bühne wird völlig dunkel. Das spöttische Gelächter Mephistopheles` ist mit Nachhall aus der Ferne zu hören, während die Bühne sich zur „Hexenküche“ verwandelt.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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