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Faust 2015 > Ebene 53 Die Sorge
53 Die Sorge
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nach dem ungewollten Mord an Philemon und Baucis versuchen Mephistopheles und Pantyrann Faust ein letztes Mal, Faust eine Form von Reue abzuringen in der Hoffnung, eine innere Wandlung Fausts zu provozieren. Eine Gestalt wird aktiviert, die weder eindeutig der Einflussebene der Religion noch der Ebene der Mater Agape zuzuordnen ist. Eine greisenhafte Frau, die in Gesellschaft drei anderer Greisinnen - Mangel, Schuld und Not – schwebend auf der Bühne erscheinen, gibt sich Faust als „Sorge“ zu erkennen.
Somit hat die Szene „53 Die Sorge“ eine Schwellenfunktion, denn noch ist ungeklärt, ob Faust als negativer oder als positiver Charakter sein Leben beenden wird, denn dieses Ende ist nahe.
Der „Herr“ hatte im Original-Faust, als er mit Mephistopheles die Wette abschloss, auf eine direkte Beteiligung am Spiel verzichtet. Er nahm das Spiel um die Seele eines Menschen nicht ernster, als es in dieser Inszenierung im anfänglichen Würfelspiel symbolisch gezeigt wurde.
Bis zur Szene „53 Mitternacht“ neigte sich die Waage stetig zugunsten des Mephistopheles.
Faust strebte einst Gottgleichheit an, verstrickt sich jedoch permanent in jeder Lebenssituation  in das Gegenteil.
Corvus Mysticus und Agape sind ab jetzt wieder präsent. Diese „Über“-Macht nimmt den Handlungsfaden beobachtend, kontrollierend in die Hand und verweist Gott und Teufel, Gut und Böse wie auch die „zwei Seelen“ in die Ebene „Mensch“ zurück und negiert damit die Begriffe Gott und Teufel in ihrer Eigenständigkeit und entwertet sie endgültig zum Produkt menschlichen Geistes.
Sehr spät, im wahrhaft letzten Moment seines Lebens, begreift er instinktiv, was es wert ist, sich um einen Menschen zu sorgen, Verantwortung anderen gegenüber zu tragen. Diese „Letzte Lebenserfahrung“ wird die Seele Fausts reif für eine Wendung zum „Guten“, einer „Erlösung“ im Sinne der Religionen machen. In der letzten Szene, dem „Epilog“ wird er diese Erlösung im „Ewig Weiblichen“ finden.
 
Szenenbild 01
Die Szene beginnt in absoluter Dunkelheit. Nur schemenhaft sieht man die drei Gesellen in ihren Arztkitteln wie sie Faust auf der Trage liegend in die Mitte der Bühne tragen und ihn
dort mehr oder weniger auf den Bühnenboden werfen. Faust bleibt bewusstlos liegen.
Erst die schwach einsetzende Beleuchtung lässt erkennen, dass Faust auf einem Soldatenfriedhof „abgelegt“ wurde. Dieser Soldatenfriedhof geht im Unendlichen in den schwarzen Horizont über. Das aus vergangenen Szenen bekannte riesige Kreuz schwebt über dem Friedhof.
Szenenbild 02
Ein graublauer Gazevorhang senkt sich von der Vorderkante des Kreuzes herab. Auf diesem Vorhang erscheinen die „vier grauen Weiber“ als Projektion. Die „Sorge“ wird abseits der drei anderen abgebildet. Die Stimmen kommen aus allen Richtungen des Theaters mit mehr oder weniger Nachhall.
Erste 
Ich heiße der Mangel.
 
Zweite
Ich heiße die Schuld.
 
Dritte 
Ich heiße die Sorge.                 
 
Vierte         
Ich heiße die Not.
 
Zu Drei (Mangel, Schuld, Not)
Ihr Schwestern, ihr könnt nicht und dürft nicht hinein.
Die Sorge, sie schleicht sich durchs Schlüsselloch ein.
 
Mangel
Ihr, graue Geschwister, entfernt euch von hier!
 
Schuld
Ganz nah an der Seite verbind ich mich dir.
 
Not
Ganz nah an der Ferse begleitet die Not.
 
Zu Drei (Mangel, Schuld, Not)
Es ziehen die Wolken, es schwinden die Sterne!
Dahinten, dahinten! Von ferne, von ferne,
Da kommt er, der Bruder, da kommt er der -----  Tod.
 
Mangel, Schuld und Not lösen sich im Nichts auf. Die Projektion der „Sorge“ vergrößert sich. Faust ist erwacht, bewegt Arme und Beine unmotiviert. Er beginnt mit schwacher Stimme zu sprechen.
 
Faust
Vier sah ich kommen, drei nur gehen;
Den Sinn der Rede konnt` ich nicht verstehen.
Es klang, als hieß` es: Not. Ein düst`res Reimwort folgte - Tod.
Es tönte hohl, gespensterhaft gedämpft.
Nun ist die Luft von solchem Spuk so voll,
Dass niemand weiß, wie er ihn meiden soll.
 
Szenenbild 03
Panthyrann und Mephistopheles sind zwischen den Kreuzen erschienen und halten sich im Hintergrund. Corvus Mysicus mit Mater Agape ist fliegen im rechten Bühnenbereich ein.
Die Stimme der Sorge schwillt im Laufe des Gespräches mit Faust stark an und wird am Ende dröhnend mit Nachhall.
Faust
Ist jemand hier?
 
Sorge
Die Frage fordert Ja!
 
Faust
Und du, wer bist denn du?
 
Sorge
Bin einmal da.
 
Faust
Entferne dich!
 
Sorge
Ich bin am rechten Ort.
 
Faust
Nimm dich in Acht und sprich kein Zauberwort.
 
Sorge
Würde mich kein Ohr vernehmen,
Müsst es doch im Herzen dröhnen;
In verwandelter Gestalt
Üb ich grimmig Gewalt.
Stets gefunden, nie gesucht,
So geschmeichelt wie verflucht. –
Hast du die Sorge nie gekannt?“
 
Szenenbild 04
Faust versucht sich aufzurichten, fällt aber zurück, stützt sich auf den Ellenbogen und beginnt seine „Lebensbilanz“ bedächtig nachdenklich, nach Worten suchend, verfällt aber mehr und mehr in das für ihn typische Lamentieren.
Faust
Ich bin nur durch die Welt gerannt;
Ein jed` Gelüst ergriff ich bei den Haaren,
Was nicht genügte, ließ ich fahren,
Was mir entwischte, ließ ich ziehn.
Ich habe nur begehrt und nur vollbracht
Und abermals gewünscht und so mit Macht
Mein Leben durchgestürmt, erst groß und mächtig,
 
Panthyrann und Mephistopheles begleiten Fausts Verteidigungsrede mit verächtlich spöttischen Gebärden.
 
Faust
Nun aber geht es weise, geht bedächtig.
Der Erdenkreis ist mir genug bekannt.
Nach drüben ist die Aussicht uns verrannt;
 
Sorge
Wen ich einmal mir besitze,
Dem ist alle Welt nichts nütze;
Ewiges Düstre steigt herunter,
Sonne geht nicht auf noch unter.
 
Faust
Hör auf! So kommst du mir nicht bei!     
Ich mag nicht solchen Unsinn hören.
Fahr hin! 
 
Sorge
Halber Schlaf und schlecht Erquicken
Heftet ihn an seine Stelle
Und bereitet ihn zur Hölle.
 
Faust ahnt die Bedrohung und windet sich, stöhnt vor Schmerzen auf, fällt zurück.
 
Szenenbild 05
Das Bild Margarethes überlagert mehr und mehr das der Sorge. Faust erkennt für einen Moment seine Schuld, dass er unfähig war, echte Sorge um diese Frau niemals empfunden zu haben. Dieser Sünde fühlt er sich schuldig, aber zur Reue ist er nicht bereit.
Er schreit verzweifelt die Verszeile „Ich werde sie nicht anerkennen“ heraus.
Faust
Dass geistig-strenge Band ist nicht zu trennen;
Doch deine Macht, o Sorge, schleichend groß,
Ich werde sie nicht anerkennen.
 
Sorge
Erfahre sie, wie ich geschwind
Mich mit Verwünschungen von dir wende!
Die Menschen sind im ganzen Leben blind,
Nun, Fauste, werde du`s am Ende!
 
Szenenbild 06
Der Gazevorhang mit der Projektion verschwindet. Das über Faust schwebende Kreuz senkt sich herab und droht Faust zu erdrücken. In Todesangst wird er hellwach und trommelt verzweifelt gegen das Kreuz. Das Kreuz ist ein Hohlkörper und dementsprechend ist auch der tiefe dumpfe Klang der Schläge.
Völlige Verdunkelung und fließender Übergang zum nächsten Bild.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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