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Faust 2015 > Ebene 02 Vorspiel auf dem Theater
02 Vorspiel auf dem Theater
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Der schwarze Vorhang hinter Panthyann und Mephistopheles öffnet sich. Vor einem Projektionsvorhang steht ein großer Besprechungstisch in Bühnenmitte.
Theaterdirektor, Dichter und Lustige Person betreten die Bühne und nehmen die mittleren Plätze am Tisch ein. Mephistopheles und Panthyrann erheben sich vom Würfelspiel und treten unbemerkt in die Nähe des Projektionsvorhanges.
Mater Agape erscheint einschwebend und bleibt reglos, lediglich ihre Anwesenheit demonstrierend, im linken Hintergrund der Bühne stehen.
Die Schauspieler kommen mit Regiestühlen auf die Bühne und setzen sich mit dem Rücken zum Publikum dem Besprechungstisch gegenüber. Alle haben das Textbuch unter dem Arm oder blättern während der Reden mehr oder weniger interessiert darin herum.
Ziel der Zusammenkunft ist die Vorstellung eines neuen Projektes vor dem Theaterensemble. Dazu haben der Direktor, der Dichter und eine „Lustige Person“ (diese könnte der Dramaturg sein) geladen.
 
Direktor
Sagt, was ihr von unsrer Unternehmung hofft!
Jedermann erwartet sich ein Fest.
Doch so verlegen bin ich nie gewesen:
Zwar sind sie an das beste nicht gewöhnt,
Allein sie haben schrecklich viel gelesen.
Wie machen wir`s, dass alles frisch und neu
Und mit Bedeutung auch gefällig sei?
 
Dichter
O sprich mir nicht von jener bunten Menge,      
Bei deren Anblick uns der Geist entflieht.
Was glänzt, ist für den Augenblick geboren;
Das Echte bleibt der Nachwelt nicht verloren.
 
Lustige Person
Lasst Phantasie mit allen ihren Chören,
Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft,
Doch merkt euch wohl! nicht ohne Narrheit hören.
 
 
Direktor
Besonders aber lasst genug geschehen!
Die Masse könnt ihr nur durch Masse zwingen,
Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen,
Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.
Sucht nur die Menschen zu verwirren,
Sie zu befriedigen ist schwer - - 
 
Lustige Person
Greift nur hinein ins volle Menschenleben!
Ein jeder sieht, was er im Herzen trägt.
Noch sind sie gleich bereit, zu weinen und zu lachen,
 
Der Dichter spricht die beiden folgenden Verszeilen wie geistesabwesend aber mit sehr starkem Nachdruck aus, da es sich um das Grundmotto der geplanten Inszenierung dreht. Die Zeile „Gib meine Jugend mir zurück!“ klingt verträumt und geistesabwesend.
 
Dichter
Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,
Gib meine Jugend mir zurück!
 
Das war das Stichwort für Mephistopheles und Panthyrann, sich in die Theatertruppe einzumischen. Sie treten ohne Begrüßung zum Tisch und nehmen ungeniert an den Stirnseiten des Tisches auf den noch freien Stühlen Platz. Mephistopheles spricht den Text der Lustigen Person und antwortet auf das Flehen des Dichters nach wiederkehrende Jugend:
 
Mephistopheles (Lustige Person)     
Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls,
Wenn mit Gewalt an deinen Hals
Sich allerliebste Mädchen hängen,
Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht,
Es findet uns nur noch als wahre Kinder. 
 
Die drei Theaterleute haben die Dreistigkeit Mephistopheles` und Panthyranns mit skeptischen Blicken verfolgt. Der Theaterdirektor ist sogar von seinem Stuhl entrüstet aufgesprungen. Von der geistreichen Erwiderung Mephistopheles` bzw. dem selbstbewussten Auftreten der unbekannten Herren fühlen sie sich beeindruckt - und entmachtet.
Panthyrann greift zu dem auf dem Tisch liegenden Textbuch des Dichters, nimmt einen der herumliegenden Stifte und schreibt etwas auf die Rückseite des Heftes. Der Dichter liest und reicht das Buch weiter. Ungläubig fragende Gesichter der Drei. Was Panthyrann geschrieben hat, bleibt Geheimnis, aber es muss ein vielversprechendes Angebot sein, denn der Direktor hat sich gesetzt und man betrachtet beide mit fragenden und erwartungsvollen Blicken. Mephistopheles und Pantyrann haben glaubhaft versichern können, dass sie ein besseres, größten Erfolg versprechendes Inszenierungskonzept haben. 
 
Panthyrann (Direktor)
Der Worte sind genug gewechselt,
Lasst mich auch endlich Taten sehn!
Indes ihr Komplimente drechselt.
Kann etwas nützliches geschehn.
 
Der Direktor unterbricht Panthyrann, um seinen Status als Chef des Ganzen sich nicht nehmen zu lassen.
 
Direktor
Euch ist bekannt, was wir bedürfen:
Nun braut mir unverzüglich dran!
 
Mephistopheles (Direktor)
Ihr wisst, auf unsern deutschen Bühnen
Probiert ein jeder, was er mag;
 
Der Direktor hat sich bereits ganz dem neuen Regie-Duo ergeben und bietet alles an, was zur Verfügung steht.
 
Direktor
Gebraucht das gross`und kleine Himmelslicht,
Die Sterne dürfet ihr verwenden;
                   .
 
Kurzes Schweigen. Alle Beteiligten ahnen, dass hier eine Inszenierung im Entstehen ist, die alles Bisherige in den Schatten stellen wird. Der Theaterdirektor kratzt sich am Kinn. Mephistopheles setzt sich an den Projektor. Beifall kommt von der Schauspielertruppe.
Auf der sich stetig vergrößernden Projektionsfläche werden in fließenden Übergängen die Bildideen der neuen Regisseure abgespult. Die Projektionsfläche nimmt am Ende den gesamten Horizontvorhang ein und mündet in das Anfangsbild des „Prolog im Himmel“
Panhyrann übernimmt die letzten Zeilen mit akustisch verstärktem Crescendo:
 
Panthyrann (Direktor)
So schreitet in dem engen Bretterhaus
Den ganzen Kreis der Schöpfung aus,
 
Panthyrann gibt einen Einsatz nach oben und der erste Satz der 8. Sinfonie von G. Mahler erfüllt mit gewaltiger Lautstärke das Theater. Ohne Unterbrechung wird dieser Sinfoniesatz bis zum Ende des „Prologs im Himmel“ durchgespielt.
Mephistopheles springt vom Projektor auf und leitet einen Zeitsprung ein, der alle weiteren Planungen und Proben, die für eine Inszenierung notwendig sind, überspringt. Die beiden folgenden Zeilen übertönen die Musik:
 
 
Panthyrann (Direktor)
Und wandelt mit bedächt`ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle! 
 
Verdunklung. Der Besprechungstisch wird von mehreren Schauspielern unauffällig von der Bühne geschoben. Die übrigen nehmen ihre Regiestühle und verschwinden ebenfalls. Die Bühne ist schwarz und leer.
Nahtlos erfolgt der Übergang zum „Prolog im Himmel“.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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