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Faust 2015 > Ebene 36 Die Geburt des Homunculus
36 Die Geburt des Homunculus 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Das Bühnenbild ist das gleiche wie in „05 Nacht“. Wagner hantiert an Phiolen und Geräten herum und erschrickt, als er die Glocke hört. Eine Glaskugel hängt im Raum. In dieser soll die Entstehung des künstlichen Menschen erfolgen. In ihrem Inneren brodelt schwach eine Flüssigkeit und wird mit blau-grünem Licht leicht beleuchtet. Wagner steckt in einem Schutzanzug, so dass seine Aussprache hohl klingt.
Wagner       
Ach Gott! was rasselt an der Türe?
 
Mephistopheles
Willkommen! es ist gut gemeint.
 
Mephistopheles tritt ein und Wagner schaut nicht einmal zu dem Eintretenden auf:
 
Wagner       
Willkommen zu dem Stern der Stunde!             
Doch haltet Wort und Atem fest im Munde!     
Ein herrlich Werk ist gleich zustand gebracht.
 
 
Mephistopheles
Was gibt es denn?
 
Wagner       
Es wird ein Mensch gemacht.
 
Mephistopheles
Ein Mensch? Und welch verliebtes Paar
Habt ihr ins Rauchloch eingeschlossen?
 
Wagner       
Behüte Gott! Wie sonst das Zeugen Mode war,
Erklären wir für eitel Possen.
 
Mit beschwörenden Gebärden und voller Faszination ist Wagner mit seinem Experiment beschäftigt. Entsprechend hören sich seine Äußerungen an:
 
Wagner       
Es leuchtet! Seht! - Nun lässt sich wirklich hoffen,
Es wird! Die Masse regt sich klarer!
Ich seh in zierlicher Gestalt
Ein artig Männlein sich gebärden.                      
 
Szenenbild 02
Wagner spricht, als würde er inbrünstig beten. Homunculus erscheint als unbekleideter Jüngling mit Kindergesicht, aus der brodelnden Masse hervor. Sein Der „neue“ Mensch durchbricht die Glaswand der Kugel, so dass nur sein Körper im Glas verbleibt und die Glaskugel ihn wie ein angewachsenes Kleidungsstück  umschließt. Das Experiment Wagners ist nur halb gelungen. Das neue Wesen kann ohne das Medium des Kugelinneren nicht existieren.
Wagner ist außer sich vor Freude und Überraschung. Er greift vorsichtig zum Glas, berührt Füße, Hände, Kopf und kommt aus dem Staunen nicht heraus. Es ist ein menschliches Wesen, das unter seiner Regie entstand. Ganz entzückt wird sein Gesicht. Bei den ersten Worten des Homunculus umarmt er die Glaskugel mit größter Vorsicht. 
Homunculus 
Nun, Väterchen! Wie stehts? 
Komm, drücke mich recht zärtlich an dein Herz,
Doch nicht zu fest, damit das Glas nicht springe!
 
 
Die Sprache des Homunculus entwickelt sich nach mehrfachem Räuspern schnell zur Verständlichkeit, ist aber akustisch nicht zuordenbar, sondern kommt aus allen Richtungen. Sein „Geist“ ist voll entwickelt und sprudelt vor Allwissenheit. Er wendet sich an Mephistopheles wie an einen alten Bekannten:
 
Homunculus 
Du aber, Schalk, Herr Vetter, bist du hier?                                    
Im rechten Augenblick, ich danke dir.
Ein gut Geschick führt dich zu uns herein;
Dieweil ich bin, muss ich auch tätig sein.
Ich möchte mich sogleich zur Arbeit schürzen;                              
Du bist gewandt, die Wege mir zu kürzen.
 
Er springt empor, er lässt sich an den elastischen unsichtbaren Seilen schweben.
Wagner erkennt die Universalität seiner Schöpfung und beginnt zu philosophieren:
 
Wagner       
Nur noch Ein Wort! Bisher musst ich mich        schämen;
Denn alt und jung bestürmt mich mit Problemen.
Zum Beispiel nur: Noch niemand konnt es fassen,
Wie Seel und Leib so schön zusammenpassen,
So fest sich halten, als um nie zu scheiden,
Und doch den Tag sich immerfort verleiden.
Sodann -
 
Mephistopheles
Halt ein! Ich wollte lieber fragen:
Warum sich Mann und Frau so schlecht vertragen?
Du kommst, mein Freund, hierüber nie ins reine.
Hier gibts zu tun, das eben will der Kleine.
 
Homunculus 
Was gibt`s zu tun?
 
Mephistopheles bringt jetzt Faust ins Spiel, indem er Homunculus auf den noch liegenden Kranken unter dem Bühnenboden aufmerksam macht.
 
Mephistopheles
Hier zeige deine Gabe!   
 
Homunculus schwebt zum Bühnenrand und beugt sich zum Bett Fausts herab.
 
Wagner       
Fürwahr, du bist ein allerliebster Knabe!
 
Homunculus schwebt herab in das Krankenzimmer und betrachtet Faust genauestens, fasst ihm an die Nasenspitze, pustet ihm in das Ohr mit dem Ergebnis, dass Faust die Augen aufschlägt und Homunculus anlächelt.
Mephistopheles und Pynthyrann unter der Bühne trauen ihren Augen nicht und werfen die Arme erfreut in die Höhe.
 
Homunculus 
Bedeutend! -                  
 
Homunculus scheint die gesamte Problematik um Faust sofort erfasst zu haben und scheint in die Träume Fausts eingedrungen zu sein. Er flüstert Faust ins Ohr mit singender Stimme:
 
Homunculus 
Schön umgeben! Klar Gewässer                                          
Im dichten Haine! Frau`n, die sich entkleiden,
Die Allerliebsten! Das wird immer besser.
Doch eine lässt sich glänzend unterscheiden:
Aus höchstem Helden- wohl aus Götterstamme!
Sie setzt den Fuß in das durchsichtige Helle.
 
Mephistopheles
Was du nicht alles zu erzählen hast!
So klein du bist, so groß bist du Phantast.
Ich sehe nichts -
 
Homunculus 
Das glaub ich! Du aus Norden,
Im Nebelalter jung geworden,                                               
Im Wust von Rittertum und Pfäfferei,
Wo wäre da dein Auge frei!
Im Düstern bist du nur zu Hause.
 
Mephistopheles
Der Ausweg soll mich freuen.
 
Homunculus 
Jetzt eben, wie ich schnell bedacht,
Ist klassische Walpurgisnacht:                          
Das Beste, was begegnen könnte,
Bringt ihn zu seinem Elemente.
 
Mephistopheles
Dergleichen hab ich nie vernommen.
 
Homunculus 
Wie wollt es auch zu euren Ohren kommen?
Romantische Gespenster kennt ihr nur allein;
Ein echt Gespenst, auch klassisch hat`s zu sein.
 
Mephistopheles
Mich widern schon antikische Kollegen.
 
Homunculus 
Nordwestlich, Satan, ist dein Lustrevier,
Südöstlich diesmal aber segeln wir:
An großer Fläche fließt Peneios frei,
 
Hier fragt sich`s nur, wie dieser kann genesen.
Hast du ein Mittel, so erprob es hier;
Vermagst  du`s nicht, so überlass es mir!
Du bist ja sonst nicht blöde,                                       
Und wenn ich von thessalischen Hexen rede,
So denk ich, hab ich was gesagt.
 
Mephistopheles
Thessalische Hexen! Wohl! das sind Personen,                             
Nach denen hab ich lang gefragt.
Ich glaube nicht, dass es behagt.
 
Szenenbild 03
Während der letzten Verszeilen schwebte eine Glasscheibe herab. Mephistopheles setzt sich darauf. Panthyrann kommt aus dem Hintergrund, von wo er unsichtbar alles beobachtet hat und drängelt sich neben Mephistopheles. Die Laborwände schweben in sich bildendem Nebel in den Schnürboden. Die Bühne wird kahl und dunkel. Homunculus kreist um Mephistopheles und Panthyrann.
Das Krankenzimmer Fausts hebt sich wie im vorigen Bild auf Bühnenniveau. Mephistopheles und Panthyrann heben Faust aus seinem Bett und legen ihn zwischen sich. Humunculus zieht weiter seine Kreise und ruft:
Homunculus 
Ich leuchte vor.                                
 
Wagner
Und ich?
 
Homunculus 
Du bleibst zu Hause.
Leb wohl!
 
Wagner
Leb wohl! Das drückt das Herz mir nieder.
Ich fürchte schon, ich seh dich niemals wieder.
 
 
Mephistopheles und Panthyrann werden durch den Nebel unsichtbar und rufen laut mit starkem Nachhall:
 
Mephistopheles / Panthyrann
Am Ende hängen wir doch ab
Von Kreaturen, die wir machten.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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