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Faust 2015 > Ebene 37 Klassische Walpurgisnacht
37 Klassische Walpurgisnacht / 3
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Sie droht ihm ihr weit geöffnetes Gebiss. Bei dem Anblick erschrickt selbst der Teufel, stößt sie von sich und flüchtet an das andere Ende der Bühne.
 
Mephistopheles   
Hier dacht ich lauter Unbekannte
Und finde leider Nahverwandte;
Es ist ein altes Buch zu blättern
Vom Harz bis Hellas immer Vettern!
Ich merk, es hat bei diesen Leuten
Verwandtschaft Großes zu bedeuten;
 
Die acht Lamien scharen sich sofort um Empuse und wollen ihr ein weiteres Spiel mit Mephistopheles verwehren. Sie haben einen Kreis um Empuse geschlossen, die nun wie gefangen ist. Mephistopheles beschaut sich die acht Frauen genauer, indem er um den Kreis herumgeht. Geschickt verbergen die Lamien ihre furchtbaren Zähne, wenn sie angesehen werden. Sobald Mephistopheles zur Nächsten geht, lassen sie ihre Zähne besonders lang wachsen und grinsen blutrünstig.
 
Mephistopheles   
Auch diese Mühmichen, zart und schmächtig,                                                  
Sie sind mir allesamt verdächtig,
Und hinter solcher Wänglein Rosen                                                   
rcht ich doch auch Metamorphosen.
 
Lamien
Versuch es doch! Sind unsrer viele.
Greif zu! Und hast du Glück im Spiele,
Erhasche dir das beste Los!
 
Mephistopheles holt sich eine nach der anderen aus dem Kreis und schiebt sie nach Begutachtung wieder zurück.
 
 
Mephistopheles   
Die Schönste hab ich mir erlesen -
O weh mir! Welch ein dürrer Besen!
Und diese? - Schmähliches Gesicht!                   
 
Lamien
Verdienst du`s besser? Dünk es nicht!
 
Mephistopheles kann am Ende mit keiner etwas anfangen und läuft einige Schritte fort. Da die Empuse in diesem Moment auszubrechen droht, haben die acht Lamien zu tun, ihre Chefin daran zu hindern.        Noch einen Versuch macht Mephistopheles und nähert sich der Lamiengruppe. Er greift nach der einzigen „Dicken“,  die sich mit dem Ziel ausgestopft hat, als besonders „Üppige“ zu gefallen. Bei dem unsanften Zugriff rutschen ihr das Kissen und die falschen Brüste auf den Bühnenboden so dass er kommentiert:
 
Mephistopheles   
Wo will`s hinaus? - Noch eine Dicke,
An der ich mich vielleicht erquicke!
Doch ach! Der Bovist platzt entzwei!                 
 
Mephistopheles hat die Nase voll von dem Spiel. Schon einmal hat er die Weibertruppe mit dem Stampfen des Fußes in die Flucht geschlagen. Noch einmal versucht er das, indem er nicht nur aufstampft sondern mit beiden Füßen gleichzeitig springend unter lautem Gebrüll auf die Lamien einschließlich der Empuse zurast.
Der Erfolg stellt sich ein. Alle neun geraten in Panik und rasen von der Bühne. Im Weglaufen schreien sie wild durcheinander:
 
Mephistopheles   
Absurd ist`s hier, absurd im Norden,
Gespenster hier wie dort vertrackt,
Volk und Poeten abgeschmackt.                                           
Ich griff nach holden Maskenzügen
Und fasste Wesen, dass mich schauerte -
Ich möchte gerne mich betrügen,
Wenn es nur länger dauerte.                                        
Wo find ich meine Sphinxe wieder?
So toll hätt ich mir`s nicht gedacht:
Ein solch Gebirg in einer Nacht!
Das heiß ich frischen Hexenritt:
Die bringen ihren Blocksberg mit.
 
Szenenbild 19
Der Berg bekommt als die Zuordnung zum Thales, indem in den rechten Winkel des Gipfels das Symbol für ein rechtwinkliges Dreieck projiziert wird. Gleichzeitig entsteht der riesige Kreisbogen am schwarzen Himmel, der den Lehrsatz des Thales komplett macht.
Homunculus springt von der Hinterbühne kommend heran. Seine körperliche Leichtigkeit muss faszinierend realisiert werden. Flexible Seile, die wie Lianen von oben herab hängen, ermöglichen ihm, sich empor zu schwingen (ähnlich dem Spiel des Ikarus im Helena-Akt).
Mephistopheles entdeckt ihn und kommentiert: Anaxagoras wird als Büste auf einem Sockel dargestellt
Mephistopheles   
Ein Licht, das gar bescheiden glüht.
Wie sich das alles fügen muss!
Fürwahr, es ist Homunculus!
Woher des Wegs, du Kleingeselle?
 
Homunculus
Ich schwebe so von Stell zu Stelle
Und möchte gern im besten Sinn entstehn,
Zwei Philosophen bin ich auf der Spur!                      
Ich horchte zu, es hieß: „Natur! Natur!"
 
Mephistopheles   
Wo Gespenster Platz genommen.
Ist auch der Philosoph willkommen.
Willst du entsteh`n, entsteh auf eigne Hand!
 
Die Projektionsfläche, auf der die Statue des Thales erscheinen wird, wird herabgelassen.
 
Thales
Im Feuchten ist Lebendiges entstanden.
 
Homunculus
Lasst mich an eurer Seite gehn!
Mir selbst gelüstet`s, zu entstehn.
 
Anaxagoras
Schnell quillt der Berg von Myrmidonen,                   
Die Felsenspalten zu bewohnen:
Pygmäen, Imsen, Däumerlinge
Und andre tätig kleinen Dinge.
Nie hast du Großem nachgestrebt,
Einsiedlerisch-beschränkt gelebt;
Kannst du zur Herrschaft dich gewöhnen,
So lass ich dich als König krönen.
 
Homunculus
Was sagt mein Thales?
 
Thales
Wills nicht raten;
Mit Kleinen tut man kleine Taten,
Mit Großen wird der Kleine groß.
 
Homunculus
Schaut hin nach der Pygmäen Sitz:
Der Berg war rund, jetzt ist er spitz!
 
Thales
Nun fort zum heitern Meeresfeste!
Dort hofft und ehrt man Wundergäste.
 
Mephistopheles   
Neugierig aber wär ich, nachzuspüren,
Womit sie Höllenqual und -flamme schüren.
 
Szenenbild 20
Die Projektionen des Thales und Anaxagoras werden ausgeblendet und über dem Horizont bildet sich aus der Finsternis die Abbildung des Dryas, der Baumnixe, hier als geheimnisvolles hornaltes Mannesgesicht, das in den Stamm einer ebenfalls alten Eiche verwachsen ist. Mephistopheles entdeckt die Erscheinung und grüßt mit leichten Verbeugung.
Dryas         
Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort                                   
Und sprich sie an, wenn dich nicht schauert!
 
Mephistopheles   
Man denkt an das, was man verlies;
Was man gewohnt war, bleibt ein Paradies. -
Doch sagt: Was in der Höhle dort
Bei schwachem Licht sich dreifach hingekauert?
 
Dryas         
Die Phorkyaden! Wage dich zum Ort                                   
Und sprich sie an, wenn dich nicht schauert!
 
 
Szenenbild 21
Langsam verschwindet die Erscheinung des Dryas so wie sie gekommen ist. Parallel zum Entschwinden wird die Fläche unter dem Rechteck vom tiefen Schwarz zu dunklem Blau. Der Übergang zum letzten Bild der Klassischen Walpurgisnacht ist fließend. Ab Zeile 7970 beginnt die Verwandlung, in deren Folge die Phorkyaden erscheinen. Die blaue Fläche innerhalb des Kreisbogens wird stetig heller.
Mephistopheles   
Warum denn nicht! - Ich sehe was - und staune!
So stolz ich bin, muss ich mir selbst gestehn:
Dergleichen hab ich nie gesehn,
Die sind ja schlimmer als Alraune!-                            
Wird man die unverworf`nen Sünden
Im mindesten noch hässlich finden,
Wenn man dies Dreigetüm erblickt?
Wir litten sie nicht auf den Schwellen                                   
Der grauenvollsten unsrer Höllen;
Hier wurzelt`s in der Schönheit Land,
Das wird mit Ruhm antik genannt -
Sie regen sich, sie scheinen mich zu spüren,
Sie zwitschern pfeifend, Fledermaus-Vampyren.
 
Mephistopheles ist äußerst erregt und erstaunt über die neueste gespenstische Erscheinung und verbeugt sich auffallen ehrerbietig und fällt schließlich auf die Knie vor den grauenvollen Gesichtern.
In höchst schmeichelhaftem Tonfall beginnt er das Gespräch mit den Ungeheuern. Die Stimme der Porkyaden bzw. ihrer Ältesten kommt aus dem gesamten Theaterraum und ist mit starkem Nachhall versehen. Die Akustik muss ihrerseits den Höhepunkt des Walpurgisnachtgeschehens unterstützen.
Während des Bildes wird die blaue Fläche heller und heller. Damit beginnt die Überleitung zur nächsten Szene, den „Felsbuchten“, die in hellen Farben gestaltet wird. 
 
 Phorkyas    
Gebt mir das Auge, Schwestern, dass es frage,                                      
Wer sich so nah an unsre Tempel wage!
 
Mephistopheles   
Verehrteste! Erlaubt mir, euch zu nahen
Und euren Segen dreifach zu empfahen.
Ich trete vor, zwar noch als Unbekannter,
Doch, irr ich nicht, weitläufiger Verwandter.
Altwürdige Götter hab ich schon erblickt,
Doch euresgleichen hab ich nie erblickt!
Ich schweige nun und fühle mich entzückt.
 
Phorkyaden         
Er scheint Verstand zu haben, dieser Geist.
 
Mephistopheles   
Nur wundert`s mich, dass euch kein Dichter preist.
Und sagt! Wie kam`s, wie konnte das geschehn?
Im Bilde hab ich nie euch Würdigste gesehn!
 
Phorkyaden         
Versenkt in Einsamkeit und stillste Nacht,
Hat unser Drei noch nie daran gedacht!
 
 
Mephistopheles setzt zur großen Rede an, kommt aber nicht weit, da er unterbrochen und zum Schweigen verdammt wird.
 
Mephistopheles   
Wie sollt es auch, da ihr, der Welt entrückt,
 
Phorkyaden         
Schweige still und gib uns kein Gelüsten!
In Nacht geboren, Nächtlichem verwandt,
Beinah uns selbst, ganz allen unbekannt.
 
Die folgenden Verse haben weitreichende Wirkung, denn Mephistopheles hat spontan den Plan gefasst, in das Kostüm eines dieser drei Ungeheuer zu schlüpfen, um damit den bevorstehende Helenaakt zu gestalten. Deshalb muss er mit größtem Nachdruck sprechen.
 
Mephistopheles   
Euch dreien g`nügt Ein Auge, g`nügt Ein Zahn;
Da ging` es wohl auch mythologisch an,
In zwei die Wesenheit der drei zu fassen,
Der Dritten Bildnis mir zu überlassen,
Auf kurze Zeit.
 
Eine            
Wie dünkts euch? ging` es an?
 
Die anderen         
Versuchen wir s! - Doch ohne Aug und Zahn.
 
Phorkyaden         
Es sei!
 
Mephistopheles hebt den Mantel der großen Phorkyasgestalt an und verschwindet darunter. Innerhalb weniger Sekunden erscheint er mit dem Gesicht der Phorkyade. Mephistopheles besieht sich von oben und grinst über sein neues gespenstisches Outfit.
 
Mephistopheles   
Da steh ich schon,
Des Chaos vielgeliebter Sohn!
 
Phorkyaden         
Des Chaos Töchter sind wir unbestritten.
 
Mephistopheles   
Man schilt mich nun, o Schmach! Hermaphroditen.
 
Phorkyaden         
Im neuen Drei der Schwestern welche Schöne!
Wir haben zwei der Augen, zwei der Zähne!
 
Mephistopheles   
Vor aller Augen muss ich mich verstecken,
Im Höllenpfuhl die Teufel zu erschrecken.          
 
Mephistopheles geht von der Bühne über den Gang zwischen den Zuschauertribünen. Die Sphinxe schauen neugierig auf einer der Bühnenseite hervor und winken ihrem „Freund“ hinterher.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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