Szenenbild
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In
diesem letzten Abschnitt der „Klassischen Walpurgisnacht“, an den Felsbuchten
des Ägäischen Meeres, kommt es zum „Zeugungsakt“ an sich. Dieser Zeugungsakt
muss verallgemeinert verstanden werden. Nicht das Eindringen des Homunculus in
die Vagina der Galatea, sondern die Menschwerdung des unfertigen Halblebewesen,
des unfertigen Homunculus, durch eine „Neugeburt“, ist Inhalt und Höhepunkt des
Geschehens.
Nicht
der Akt als solcher, sondern die Verschmelzung zweier Körper in Liebe lässt
neues Leben entstehen. Diese Verschmelzung hat der Alchimist Dr. Wagner im
Labor außeracht gelassen und somit fehlt dem Körper des Homunculus die
wichtigste Lebensgrundlage – die Fähigkeit, zu lieben. Dieser Fähigkeit ist
auch Faust nicht mächtig. Die wahre Liebe ahnt Faust erst kurz vor seinem Tode.
Der
folgende Abschnitt wird somit im doppelten Sinne zur „Hymnische Erosfeier“. Unter
dem Aspekt, dass sich auch dieses Geschehen in den Traumvisionen Fausts
abspielt, ahnt lediglich Faust als „trockener“ Wissenschaftler die hohe
Bedeutung dieses Fehlens des einen Teiles des menschlichen Wertes, eben der
Liebesfähigkeit.
Der
Bühnenboden verwandelt sich parallel zum Auftreten der Akteure in Strand und
Meer. Das Meer wird von oben auf den Bühnenboden filmisch mit leichten
Wellenkämmen projiziert. Links und rechts bauen sich die Felsen imitierenden
Kuben auf, auf die noch während der Verwandlung die Sirenen und Nereiden
klettern bzw. einschweben. Die Tritonen, nackte oder leicht bekleidete starke
Männer, positionieren sich nur auf dem Strand in unmittelbarer Nähe zu den
Kuben.
Im
rechten Bühnenvordergrund liegt vorerst unmotiviert eine riesige Muschel, die
sich später als Wohnung des Nereus, des Vaters der Galatea, entpuppt.
Bereits während die
Sirenen, Nereiden und Tritonen ihre Positionen einnehmen, sprechen sie im
Wechsel ihre Verse untermalt von leiser Musik aus einer Mahlerschen Sinfonie.
Während
dieser Szene erscheint bis Vers 8043 die blasse Mondscheibe am rechten Himmel.