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Faust 2015 > Ebene 38 Vor dem Palaste des Menelas in Sparta
38 Vor dem Palaste des Menelas zu Sparta 1
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Nach der orgiastischen Farbenpracht des Galatea-Homunculus-Abganges beginnt der Helena-Akt in zurückhaltender Umgebung. Unterhalb der Bühnenrampe liegt unverändert der komakranke Faust im Krankenbett. Panthyrann hält Wache. Dieses Bild hält die Erinnerung wach, dass Faust alles, was in diesen Szenen geschieht, sich ausschließlich in seiner Traumwelt abspielt.
Die Schar der Sklavinnen, angeführt von Helena bewegt sich weit im Hintergrund in Richtung Bühnenmitte. Durch schräg einfallendes Licht schillern die Podestflächen metallisch und es ergeben sich Blendwirkungen ähnlich einer Fata Morgana.
Helena beginnt ihren meditativen Eingangstext auf halbem Wege. Sie ist wie die Sklavinnen in weiße der „antiken“ Kleiderordnung entsprechende Gewänder gekleidet. Sie unterscheidet sich von den anderen durch auffälligen kostbaren Halsschmuck, den stark geröteten Mund und die nachgezogenen Augenbrauen. Ihre bis über die Schultern wallende schwarze Haarpracht wird durch einen schmalen Goldreif über der Stirn zusammen gehalten. Es ist die gleiche Margarethe aus dem ersten Theaterabend, aber nun von dem braven Bürgermädchen avanciert zur Königin.
Helena
Bewundert viel und viel gescholten, Helena,
Vom Strande komm ich, wo wir erst gelandet sind,
Noch immer trunken von des Gewoges regsamen                
Geschaukel, das vom phrygischen Blachgefild uns her                  
Auf sträubig-hohem Rücken durch Poseidons Gunst           
Und Euros` Kraft in vaterländische Buchten trug.               
Du aber heiße mich willkommen, hohes Haus,
Von Pallas` Hügel wiederkehrend aufgebaut.
Vor allen Häusern Spartas herrlich ausgeschmückt.
Gegrüßet sei mir, der eh`rnen Pforte Flügel ihr!
Lasst mich hinein! Und alles bleibe hinter mir,
Was mich umstürmte bis hieher, verhängnisvoll!
Denn seit ich diese Schwelle sorgenlos verließ,
Cytherens Tempel besuchend, heiliger Pflicht gemäß,          
Mich aber dort ein Räuber griff, der phrygische,
Ist viel geschehen, was die Menschen weit und breit
So gern erzählen, aber der nicht gerne hört,
Von dem die Sage wachsend sich zum Märchen spann.
 
Helena hat den Treppenabsatz erreicht. Ihr Gefolge bleibt in gebührendem Abstand hinter ihr. Sie spricht die letzten Passagen in sich gekehrt, den Kopf gesenkt.
Sie ist in Träumen gefangen und vor allem: Sie ist sich ihrer Phantomerscheinung bewusst. Aus diesem Trancezustand kommt sie in die Gegenwart und fühlt sich als Märchen- bzw. Sagenerscheinung. Sie bemerkt erst jetzt bewusst die Menge der sie begleitenden Mädchen und ein Zwiegespräch mit ihnen beginnt. Die Dienerinnen antworten einzeln oder auch in Gruppen zusammen sprechend. Helena antwortet meist geistesabwesend.
 
Chor
Verschmähe nicht, o herrliche Frau,                                                       
Des höchsten Gutes Ehrenbesitz!
Denn das größte Glück ist dir einzig beschert:
Der Schönheit Ruhm, der vor allen sich hebt.
Dem Helden tönt sein Name voran,
Drum schreitet er stolz;
Doch beugt sogleich hartnäckigster Mann
Vor der allbezwingenden Schöne den Sinn.        
 
Helena
Genug! Mit meinem Gatten bin ich hergeschifft
Und nun von ihm zu seiner Stadt vorausgesandt;
Doch welchen Sinn er hegen mag, errat ich nicht.
Komm ich als Gattin? Komm ich eine Königin?
Komm ich ein Opfer für des Fürsten bittern Schmerz
Und für der Griechen langgeduldetes Missgeschick?
Erobert bin ich; Ob gefangen, weiß ich nicht!
Denn Ruf und Schicksal bestimmten fürwahr die Unsterblichen
Zweideutig mir, der Schöngestalt bedenkliche
Begleiter, die an dieser Schwelle mir sogar
Mit düster drohender Gegenwart zur Seite stehn.
Denn schon im hohlen Schiffe blickte mich der Gemahl
Nur selten an, auch sprach er kein erquicklich Wort.
Als wenn er Unheil sänne, saß er gegen mir.                        
Er sprach er, wie vom Gott bewegt:
„Hier steigen meine Krieger nach der Ordnung aus;
Ich mustere sie, am Strand des Meeres hingereiht.
Du aber ziehe weiter,
Bis dass zur schönen Ebene du gelangen magst,
Betrete dann das hochgetürmte Fürstenhaus
Und mustre mir die Mägde, die ich dort zurück
Gelassen, samt der klugen alten Schaffnerin!                       
Die zeige dir der Schätze reiche Sammlung vor,
Wie sie dein Vater hinterließ und die ich selbst
In Krieg und Frieden, stets vermehrend, aufgehäuft.
Du findest alles nach der Ordnung stehen: denn
Das ist des Fürsten Vorrecht, dass er alles treu
In seinem Hause, wiederkehrend, finde, noch
An seinem Platze jedes, wie er`s dort verließ;
Denn nichts zu ändern hat für sich der Knecht Gewalt."
 
Szenenbild 02
Helena erwacht mehr und mehr und wird sich der der realen Situation bewusst. Die beginnende Handlung fordert ihre Geistesgegenwart voll heraus und sie wird zu der Frau, die sie stets war: Herrscherin, Königin – und schönste Frau der Antike.
Sie mustert sich, tastet ihre nackte  Arme ab, streicht sich über die Haarpracht, Nimmt sich den Haarreif ab, lächelt, diesen aus vergangenen Zeiten wiedererkennend steckt ihn zurück. Ihre Körperhaltung strafft sich zusehends. Ging sie bisher demutsvoll ebenso wie ihre Sklavinnen, so lässt sie jetzt ihren Status als heimgekehrte Herrin des Schlosses und Reiches erkennen. Majestätisch schreitet sie die Treppe herab, um nach dem Anblick der Phorkyas wieder, allerdings mit anderer Motivation, höchst menschliche Schwäche zu zeigen.
Noch ist sie frei von der liebenswürdig charmanten und entzückenden Art, die sie später im Zusammenleben mit Faust abgibt. Diese Attribute nimmt sie an, wenn die Zeit dafür reif ist.
Über ihr schwebt die angstvolle Ungewissheit ihrer Zukunft, die ihr der Auftrag und die uneindeutigen Anweisungen des Gatten Menelas bereiten. Auch das ist Grund für ihr „gezwungenes“ Verhalten. Die Verse der Sklavinnen werden teils, synchron, teils durcheinander gesprochen.
Chor
Doch tritt nur ein und fordre sie auf:
Sie rüsten sich schnell.
Mich freuet zu sehn Schönheit in dem Kampf
Gegen Gold und Perlen und Edelgestein.
 
Helena
Sodann erfolgte des Herren ferneres Herrscherwort:
„Wenn du nun alles nach der Ordnung durchgesehn,
Dann nimm so manchen Dreifuß, als du nötig glaubst.
Das reinste Wasser aus der heiligen Quelle sei
In hohen Krügen; ferner auch das trockne Holz,
Der Flammen schnell empfänglich, halte da bereit!
Doch alles andre geb ich deiner Sorge heim."
So sprach er, mich zum Scheiden drängend; aber nichts
Lebendigen Atems zeichnet mir der Ordnende,                     
Das er, die Olympier zu verehren, schlachten will.
Bedenklich ist es; doch ich sorge weiter nicht,
Und alles bleibe hohen Göttern heimgestellt,
Die das vollenden, was in ihrem Sinn sie deucht,
Es möge gut von Menschen oder möge bös
Geachtet sein; Die Sterblichen, wir ertragen das.
Schon manchmal hob das schwere Beil der Opfernde
Zu des gebeugten Tieres Nacken weihend auf
Und konnt es nicht vollbringen; Denn ihn hinderte
Des nahen Feindes oder Gottes Zwischenkunft.
 
Chor
Was geschehen werde, sinnst du nicht aus;
Königin, schreite dahin
Guten Muts!
Gutes und Böses kommt
Unerwartet dem Menschen;
Auch verkündet, glauben wirs nicht.                                    
Brannte doch Troja, sahen wir doch
Tod vor Augen, schmählichen Tod,
Und sind wir nicht hier
Dir gesellt, dienstbar freudig,
Schauen des Himmels blendende Sonne
Und das Schönste der Erde,
Huldvoll, dich, uns Glücklichen?
 
Helena
Sei`s, wie es sei! Was auch bevorsteht
Das, lang entbehrt und viel ersehnt und fast verscherzt,
Mir abermals vor Augen steht, ich weiß nicht wie.
Die Füße tragen mich so mutig nicht empor                         
Die hohen Stufen, die ich kindlich übersprang.
 
Szenenbild 03
Helena ist die Treppe herabgestiegen und nähert sich der Bühnenmitte. Die Bühne macht durch ihre sterile Kargheit einen gespenstischen Eindruck. Das Licht ist nebelig trübe. Die Projektion des Sonnenaufgangs ist blass geworden. Nur die hellblaue Fläche, vor der Helena steht, ist vom Dunst ausgenommen. Diese blaue Fläche verschwindet, geht in einen schwarzen Gazevorhang über und gibt den Blick auf einen tiefen Raum frei, der sich schlagartig erhellt. Phorkyas sitzt mit dem Rücken zum Eingang. Ihr Körper ist noch nicht erkennbar. Massig und groß ist die Gestalt.
Helena bleibt erschrocken stehen und die Gestalt der Phorkyas wendet sich betont langsam und teilnahmslos um. Die Fratze, die Helena jetzt sehen muss, lässt sie einige Schritte zurück weichen. Der Anblick muss dem schlimmsten Alptraum Konkurrenz machen. Helena steht wie versteinert, nimmt die Hände vor das Gesicht, lässt einen Moment der Unentschlossenheit erkennen und rast wie von einer Tarantel gestochen, alle Königinnenwürde vor dem Ungeheuer liegen lassend, zur Treppe zurück.
Während dieses ersten Auftritts der Phorkyas setzen die Sklavinnen ihren Sprechgesang fort:
Chor
Werfet, o Schwestern, ihr
Traurig Gefangenen,
Alle Schmerzen ins Weite;
Teilet der Herrin Glück,
Teilet Helenens Glück.
 
Auf halber Treppenhöhe stoppt sie und sieht sich ein erstes Mal um. Beruhigt, da sie nicht verfolgt wird, steigt sie die letzten Stufen herauf. Die Sklavinnen konnten nicht bemerken, was ihre Herrin soeben erleben musste, da sie nicht in die Türöffnung einsehen können.
 
Panthalis
Was ist es, große Königin, was konnte dir
In deines Hauses Hallen, statt der Deinen Gruß,
Erschütterndes begegnen? Du verbirgst es nicht;
Denn Widerwillen seh ich an der Stirne dir,
Ein edles Zürnen, das mit Überraschung kämpft.
 
Helena zittert am ganzen Körper. De Sklavinnen drängen sich dichter um sie. Ängstlich schaut sie sich nochmals um. Erst jetzt wird ihr das Grauen richtig bewusst und alle bösen Ahnungen, die sie auf der Reise hierher bedrängten, erfüllen sich in ihrer Vorstellung. Ihre Kräfte schwinden und sie wird von Phantalis, ihrer ersten Dienerin aufgefangen. Nur wenige Sekunden dauert die Ohnmacht. Sie wendet sich einen Schritt ab und redet wie im Selbstgespräch:
 
Helena
Der Tochter Zeus` geziemet nicht gemeine Furcht,
Doch das Entsetzen!
 
Panthalis
Entdecke deinen Dienerinnen, edle Frau,
was begegnet ist!
 
Helena sucht nach Worten. Sie beginnt stockend, dann flüssiger redend, mit ihrem Bericht. Sie vergisst wieder alles königlich Würdige und jammert:
 
Helena
Da seht sie selbst! Sie wagt sogar sich ans Licht hervor!
 
Szenenbild 04
Die ersten der Sklavinnen haben sich auf die Treppe gewagt und sehen das Ungetüm. Zu erwarten wäre, dass die Sklavinnen vor Entsetzen und Angst schreiend flehen. Das Gegenteil tritt ein. Die Sklavinnen scheinen sich der Situation nicht bewusst zu sein und sprechen ihre Verse apathisch m Sprechgesang.  
Chor
Welche von Phorkys`                                                           
Töchtern nur bist du?
Wagest du Scheusal,
Neben der Schönheit.
 
Phorkyas hat die Treppe erreicht und setzt einen Fuß auf die unterste Stufe. Wie zum Scherz reicht sie Helena die Zitze ihrer linken Brust entgegen und fordert sie winkend zum Herabkommen und zum „Kosten“ auf. Helena überfällt Übelkeit in der Magengegend und unterdrückt Erbrechen.
Doch sie setzt sich wie von hypnotischer Kraft gezogen in Bewegung, bleibt auf halber Treppenhöhe stehen, fest entschlossen:  keinen Schritt weiter.
Als würde sie der Schrubber zwischen den Beinen stören, watschelt Phorkyas  breitbeinig, von einem Bein auf das andere schaukelnd, einige Schritte zurück, um Helena durch vergrößerte Distanz den Abgang zu ihr zu ermöglichen, denn sie muss fürchten, dass die Schönste der Antike eher auf der vorletzten Stufe Wurzeln schlägt, als den letzten Schritt zu ihr zu wagen. 
So furchterregend und makaber die Gestalt der Phorkyas ist, umso natürlicher, ja angenehmer ist ihre Stimme – die bekannte Stimme des Mephistopheles. Sie spricht ruhig, so sicher wie jemand, der gewohnt ist, lange Reden frei zu sprechen, der die Worte scheinbar nicht zu suchen braucht, der sie nimmt aus dem Reservoir seines Wortschatzes und sie nur noch dem gewollten Sinn zuordnet.
 
Phorkyas
Alt ist das Wort, doch bleibet hoch und wahr der Sinn:                
Dass Scham und Schönheit nie zusammen, Hand in Hand,
Den Weg verfolgen über der Erde grünen Pfad.
Tief eingewurzelt wohnt in beiden alter Haß,
Dass, wo sie irgend auch des Weges sich
Begegnen, jede der Gegnerin den Rücken kehrt.
Dann eilet jede wieder heftiger, weiter fort,
Die Scham betrübt, die Schönheit aber frech gesinnt,
Bis sie zuletzt des Orkus hohle Nacht umfängt,                   
Wenn nicht das Alter sie vorher gebändigt hat. -
Euch find ich nun, ihr Frechen, aus der Fremde her
Mit Übermut ergossen, gleich der Kraniche
Laut-heiser klingendem Zug, der über unser Haupt
In langer Wolke krächzend sein Getön herab
Schickt, das den stillen Wandrer über sich hinauf
Zu blicken lockt; Doch ziehn sie ihren Weg dahin,
Er geht den seinen; Also wird`s mit uns geschehn.
Wer seid denn ihr, dass ihr des Königes Hochpalast
Mänadisch wild, Betrunk`nen gleich, umtoben dürft?          
Wer seid ihr denn, dass ihr des Hauses Schaffnerin
Entgegenheulet wie dem Mond der Hunde Schar?
Wähnt ihr, verborgen sei mir, welch Geschlecht ihr seid,
Du kriegerzeugte, schlechterzogne junge Brut?
Mannlustige du. so wie verführt, verführende,
Entnervend beide, Kriegers auch Bürgers Kraft!         
Zu Hauf euch sehend, scheint mir ein Zikadenschwarm
Herabzustürzen, deckend grüne Feldersaat.
Verzehrerinnen fremden Fleißes! naschende
Vernichterinnen aufgekeimten Wohlstands ihr,
Erobert`, marktverkauft`, vertauschte Ware du!
 
Helena hat sich während der Rede Phorkyas` etwas beruhigt oder besser gesagt, an den Anblick dieser Hässlichkeit gewöhnt. Insgeheim drängt sie bereits das Bedürfnis, über diesen Anblick lächeln zu wollen, aber sie wagt nicht, die Mundwinkel zu verziehen, denn die Angst vor dem, was aus dieser Person noch auf sie zukommen könnte, verbietet jegliche derartige Regung. Sie hat den Sinn der Rede, so glaubt sie, erfassen können, auch die Anspielung darauf, sie könnte gar nicht die sein, für die sie sich ausgibt, Betrügerin oder nur Traumerscheinung zu sein. Sie fasst sich Mut und wagt den Gegenangriff. Auch zu ihrer Größe als Herrscherin über dieses Haus findet sie langsam zurück, schaut um sich, schaut an sich herunter und muss die Hässliche Lügen strafen - sie ist nicht Traum oder Betrug, sie ist lebendiges Leben und steht hier vor dem Eingang des altehrwürdigen Palastes, den schon ihr Vater und dessen Väter vor ihm ihr eigen nannten. Mit Würde und Größe wird sie versuchen, sich diesem Geist einer unbekannten Macht einer noch unbekannteren Unterwelt mit herrisch diplomatischem Geschick entgegenzustellen. Trotz aller Vorsätze wirkt ihre Entgegnung schüchtern zaghaft und ein Zittern in ihrer Stimme lässt sich nicht leugnen. Sie spürt dies selbst und das Zittern wird dadurch nicht geringer
 
Helena
Wer gegenwarts der Frau die Dienerinnen schilt,
Der Gebiet`rin Hausrecht tastet er vermessen an;
Denn ihr gebührt allein, das Lobenswürdige
Zu rühmen, wie zu strafen, was verwerflich ist.
Drum schweige du und grinse sie nicht länger an!
Hast du das Haus des Königs wohl verwahrt bisher
Anstatt der Hausfrau, solches dient zum Ruhme dir;
Doch jetzo kommt sie selber, - tritt nun du zurück,
Damit nicht Strafe werde statt verdienten Lohns!
 
Szenenbild 05
Der Angstbann ist gebrochen. Phorkyas hat die Schöne, Stolze zur kecken Gegenrede ermutigt. 
Phorkyas
Da du, nun Anerkannte, neu den alten Platz
Der Königin und Hausfrau wiederum betrittst,
So fasse längsterschlaffte Zügel, herrsche nun,
Nimm in Besitz den Schatz und sämtlich uns dazu!
Vor allem aber schütze mich, die Ältere,
Vor dieser Schar, die neben deiner Schönheit Schwan         
Nur schlecht befitticht`, schnatterhafte Gänse sind!
 
Diese soeben ausgesprochene Bitte um Schutz lässt Helena aufhorchen. Die Machtpositionen beider, Helenas und dieses Ungeheuers, scheinen um ein weiteres Stück abgesteckt zu sein, denn wer Schutz erbittet, kann nicht alle Macht für sich in Anspruch nehmen. Oder ist es nur Gerede, schmeichelhaftes Getue, denn was hier bestimmt nicht grundlos begonnen hat, könnte folgenreich werden. Erlebnisse, groß, schwer, schön oder furchtbar, zeigen sich an, das spürt sie. Wird sie denn niemals zur Ruhe kommen dürfen? Murmelnd aber deutlich vernehmbar hört man aus der Menge der Dienerinnen:
 
Panthalis
Wie hässlich neben Schönheit zeigt sich Hässlichkeit!
 
Sofort pariert Phorkyas in die Höhe rufend in fast erhaben wirkenden Worten:
 
Phorkyas
Wie unverständig neben Klugheit Unverstand!
 
Helena
Die Mädchen schaudern; Aber du, die Älteste,
Du stehst gelassen; Rede mir verständig Wort!
 
Die Menge der Sklavinnen hat sich aus ihrer gedrängten Stellung wieder gelockert und steht auf dem rechten Podest lose verteilt. Panthalis ist während der letzten Gespräche zwischen ihrer Herrin und dem Ungeheuer auf einen Wink Helenas ebenfalls die Treppe heruntergekommen und hat sich hinter Helena gestellt.
Helena ist froh, die Vertraute dicht bei sich zu fühlen und lehnt sich leicht an die Freundin an. Aus dem Haufen der Dienerinnen kommen wieder Bemerkungen, Wort- und Satzfetzen, die teilnamlos wirken.
Der Anblick und die Stimme der Porkyas stehen in diametralem Gegensatz zueinander, so dass man beim Schließen der Augen mit Wonne dieser angenehmen Stimme lauschen möchte, sich einem aber beim Aufschlagen der Augen der Magen umdrehen möchte.
 
Chor
Schweige! Schweige,
Missblickende, Missredende du!
Aus so grässlichen, einzahnigen
Lippen, was enthaucht wohl
Solchem furchtbaren Greuelschlund!
        
Schweige! Schweige!
Dass der Königin Seele,
Schon zu entfliehen bereit,
Sich noch halte, fest halte
Die Gestalt aller Gestalten,
Welche die Sonne jemals  beschien.
 
Phorkyas
Schelten sie mich auch für hässlich, kenn ich doch das Schöne wohl.
 
Helena
Doch es ziemet Königinnen, allen Menschen ziemt es wohl,
Sich zu fassen, zu ermannen, was auch drohend überrascht.
 
Phorkyas
Stehst du nun in deiner Grossheit, deiner Schöne vor uns da,
Sagt dein Blick, dass du befiehlest! Was befiehlst du? Sprich es aus!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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