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Faust 2015 > Ebene 40 Walpurgisnacht
40 Walpurgisnacht
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Szenenbild 01
Die Zeit für Mephistopheles und Panthyrann wird sehr knapp, denn am neunten Februar war die Geburt des gemeinsamen Kindes und zwei Wochen später versuchte Margarete, sich und das Neugeborene im Teich zu ertränken. Das Kind ertrank. Margarethe wurde gegen ihren Willen gerettet. Gefangenschaft und Urteilsverkündung wegen Kindesmord folgten schnell. Für die erste Maiwoche ist der Hinrichtungstermin geplant.
Dass Faust nur noch sehr flach im Koma liegt, ist erwiesen, so dass eine erneute Traumaufregung ihn hoffentlich zum Hinrichtungstermin endgültig in die reale Welt zurück bringen wird. Die Walpurgisnacht am 30. April, die für Mephistopheles Pflichtveranstaltung ist, soll den Hintergrund für dieses hoffentlich letzte traumatische Erleben geben.
Szenenbild 02
Die Szene „40 Walpurgisnacht“ wird eröffnet im Krankenzimmer. Während Panthyrann und Mephistopheles an Faust herum rütteln, ihn zum Sitzen aufrichten, bildet sich auf dem Horizontvorhang das Portrait des bewusstlosen Faust im Riesenformat. Nur eine Gesichtshälfte wird abgebildet als Hinweis darauf, dass Faust schon halb in das Leben zurückgekehrt ist.
Szenenbild 03
Analog zur Szene „28 Karneval“ erweitert sich die Bühne in den Zuschauerraum. Dunkle halbtransparente Stoffbahnen werden über die bühnennahen Bereiche der Ränge gespannt, so dass die dort sitzenden Zuschauer das Bühnengeschehen gut verfolgen können, aber der dunkelgraue Bühnenbereich in den Zuschauerraum reicht.
Mephistopheles und Panthyrann schleifen den bewusstlosen Faust aus dem Krankenzimmer auf die Bühne und blasen ihm wieder die wildesten Träume, besser Wahnvorstellungen, ein. Faust sieht und erlebt in dieser Traumvision, was in Realität für den Zuschauer auf der Bühne geschieht.
Aus dem Bühnenboden quellen Erhebungen hervor -  weibliche Brüste beginnen sich zu einem Berg aufzutürmen.
Szenenbild 04
Der eigentliche Schauplatz ist der höchste Berg des Harzes, der Brocken, auf dem sich alljährlich in der letzten Nacht des Aprils die Hexenzunft trifft. Während sich dieser Berg aus unzähligen Brüsten bildet, fliegen die Hexen aus allen Richtungen auf die Bühne. Mephistopheles und Panthyrann, Faust haltend, fliehen in den Bühnenvordergrund und beobachten das Geschehen.
Szenenbild 5
Der stark gekürzte Originaltext reduziert sich zur Rahmenhandlung der Szenerie. Mephistopheles schreit Faust in die Ohren, um die Windgeräusche zu übertönen. Faust ist auf dem Wege des Erwachens und antwortet folgerichtig, auch wenn er sich der realen Situation keineswegs bewusst ist.
Mephistopheles
Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.  
 
Faust
Solang ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,
Genügt mir dieser Knotenstock.
 
Mephistopheles
Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe             
Des roten Monds mit später Glut heran
Und leuchtet schlecht, dass man bei jedem Schritte
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
 
Faust, Mephistopheles, Panthyrann
In die Traum- und Zaubersphäre
Sind wir, scheint es, eingegangen.
Hör ich Rauschen? Hör ich Lieder?
Hör ich holde Liebesklage,
Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wider.
Aber sag mir, ob wir stehen
Oder ob wir weitergehen!
Alles, alles scheint zu drehen:
 
Szenenbild 06
Der Berg ist vollendet und die Hexen strömen in Scharen zum Gipfel. 
Szenenbld 07
Im Gipfel entsteht ein roter Lichtschein, verbunden mit einem Erzittern des gesamten Berges. Die Hexen flüchten erschrocken in die Seitenbühnen. Mephistopheles brüllt Faust in das Ohr:
Mephistopheles
Wie im Berg der Mammon glüht.     
 
Faust
Wie seltsam glimmert durch die Gründe                     
Ein morgenrötlich trüber Schein!
 
Mephistopheles
Wie seltsam glimmert durch die Gründe                     
Ein morgenrötlich trüber Schein!
 
Faust
Dort strebt die Menge zu dem Bösen;
Da muss sich manches Rätsel lösen.
 
Szenenbild 08
Über dem Gipfel erscheint die gebundene Gestalt der Helena („39 Helena und Faust“) mit lachendem Gesicht. Der Berg erzittert weiter. Faust wird zusehends wacher und befreit sich aus den Armen Mephistopheles`. Er sieht die früher geliebte Frau und fragt entsetzt:
Faust
Wer ist denn das?
 
Schließlich ist Margarethe durch den magischen Befehl Mephistopheles` erschienen, der sich über das erstaunte Gesicht Fausts vor Lachen krümmen möchte. Ihm fällt in diesem Moment nichts Besseres ein, als die witzige Bemerkung:
 
Mephistopheles
Betrachte sie genau!
Lilith ist das.
 
Faust
Wer?
 
Mephistopheles
Adams erste Frau.
 
Szenenbild 09
Faust verstand den Witz nicht, schiebt Mephistopheles zur Seite, dass der ins Stolpern kommt und beginnt, den Berg hinauf zu steigen. Zwischen den weichen überdimensionalen Brüsten kommt er langsam voran, fällt, rafft sich auf und erreicht die Gipfelnähe. Je näher er der Gestalt Margarethes kommt, desto mehr entfernt sich diese von dem Berg.
Szenenbild 10
Margarethes Bildnis verschwindet verblassend, aber überdimensionale Größe annehmend. Faust schreit in seiner Verzweiflung ziellos in die Ferne. Im folgenden kurzen Dialog gerät Faust in Ekstase. Mephistopheles antwortet von unten.
Faust
Dann sah ich -
 
Mephistopheles
Was?
 
Faust
Mephisto, siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschloss`nen Füßen zu gehen.
Ich muss bekennen, dass mich deucht,
Dass sie dem armen Gretchen gleicht.
 
Mephistopheles
Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
 
Faust
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoss.
 
Mephistopheles
Das ist die Zauberei, du leicht verführter Tor!
Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
 
Faust
Wie sonderbar muss diesen schönen Hals
Ein einzig rotes Schnürchen schmücken,
Nicht breiter als ein Messerrücken!
 
Mephistopheles
Ganz recht! ich seh es ebenfalls.
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
 
Das Antlitz Margarethe – Helenas bleibt schwach erleuchtet weit hinter dem Berg stehen und lächelt zärtlich. Faust begreift die Nähe der Geliebten und will auf das Bild zustürzen aber das Bild verlischt und Faust taumelt auf den Schlund des Kraters zu, dessen Feuerschein durch den Berg leuchtet.
 
Szenenbild 11
Margarethe ist verschwunden, die letzten Hexen sind von der Bühne geflohen. Faust fällt im Krater in die Tiefe. Der Aufprall hört sich an wie das Fallen eines schweren Körpers in einen dickflüssigen Sumpf.
Szenenbild 12
Der Berg verschwindet und nur die rote Hintergrundfläche bleibt als Projektion erhalten.
Während sich die Bühne verdunkelt, sitzen sich Faust und Mephistopheles gegenüber. An den Gesten beider lässt sich erkennen, dass Faust vom Schicksal Margarethes erfährt. Es bleiben noch drei Tage bis zur Hinrichtung.  Fausts Erinnerung kommt zurück und mit erklärender Hilfe Mephistopheles` rekapituliert er folgerichtig seine jüngste Vergangenheit und wird überaktiv bezüglich der Rettung Margarethes. Die neue Realität und die vergangenen Traumerlebnisse vermischen sich in seiner Vorstellung.
Mephistopheles sieht jetzt die Chance, Faust „mit Lust Staub fressen zu lassen“. Doch Faust wird mit seiner eingetretenen Distanz zu Margarethe diese Hoffnung zunichte machen.
Faust ähnelt wieder mehr dem Greis, dem man die Runzeln aus dem Gesicht schnitt, den man mit intelligentester Technik die Falten aus der Stirn bügelte und ihn damit zu betrügerischer Jugend verhalf. Sein Gang ist müder geworden, während sein Geist, seine Willenskraft von ungetrübtem Drang nach Neuem beherrscht wird.
Auch wenn er sich seiner aktuellen Realität bewusst ist, schweifen seine Gedanken oft zurück zu Kaiserhöfen, lustvollen Ausschweifungen, zu Hokuspokus, zu karnevalistischen Vergnügungen. Er hat mit Sphinxen und Ameisen geplaudert, er war Gast gewesen in der sagenumwobenen mediterranen Welt. Und es war eine Frau, die ihn trieb, die ihn erfüllte, die er besaß, die er liebte - oder vielleicht auch nur zu lieben glaubte. Diese Frau lässt ihn nicht los, ist allgegenwärtig in seiner Erinnerung, in seinem Leben, stachelt seine Begierde an. Aber hat er diese Schönste aller Schönen, die Helena des Aggamenon, wegen der sich die Argonauten in gefährlichste Abenteuer einließen, wirklich je berührt, je tatsächlich besessen. Er sieht ihr Gesicht vor sich, dieses Gesicht mit den leuchtenden braunen Augen, deren Iris von srahlenförmigen grünen Faden durchzogen waren. Das Lächeln ihres Mundes ist wieder da, aber ihr Körper war von verzauberter Schwerelosigkeit, unerreichbar für ihn. Er hat dies niemals bedauert, es war für ihn ohne Wichtigkeit.
Aber ihr Sohn, Euphorion hatten sie ihn genannt, war doch von Fleisch und Blut wie er selbst. Oder nicht? So kommen ihm jetzt ernüchtert die Zweifel. Euphorion - euphorisch war er gewesen. Er spielte mit dem Mond, erhob sich über sie alle mit seiner Kraft und Lust am Leben.
Am Ende des stummen Dialoges legt Mephistopheles seinen Arm um die Schulter Fausts und geht mit ihm von der Bühne. Panthyrann hat wie stets in derartigen Situationen als stiller Beobachter abseits gestanden.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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