Szenenbild 12
Der Berg verschwindet und nur die rote
Hintergrundfläche bleibt als Projektion erhalten.
Während sich die Bühne verdunkelt, sitzen
sich Faust und Mephistopheles gegenüber. An den Gesten beider lässt sich
erkennen, dass Faust vom Schicksal Margarethes erfährt. Es bleiben noch drei
Tage bis zur Hinrichtung. Fausts Erinnerung
kommt zurück und mit erklärender Hilfe Mephistopheles` rekapituliert er
folgerichtig seine jüngste Vergangenheit und wird überaktiv bezüglich der Rettung
Margarethes. Die neue Realität und die vergangenen Traumerlebnisse vermischen
sich in seiner Vorstellung.
Mephistopheles sieht jetzt
die Chance, Faust „mit Lust Staub fressen zu lassen“. Doch Faust wird mit seiner
eingetretenen Distanz zu Margarethe diese Hoffnung zunichte machen.
Faust ähnelt wieder mehr
dem Greis, dem man die Runzeln aus dem Gesicht schnitt, den man mit
intelligentester Technik die Falten aus der Stirn bügelte und ihn damit zu
betrügerischer Jugend verhalf. Sein Gang ist müder geworden, während sein
Geist, seine Willenskraft von ungetrübtem Drang nach Neuem beherrscht wird.
Auch wenn er sich seiner
aktuellen Realität bewusst ist, schweifen seine Gedanken oft zurück zu Kaiserhöfen,
lustvollen Ausschweifungen, zu Hokuspokus, zu karnevalistischen Vergnügungen.
Er hat mit Sphinxen und Ameisen geplaudert, er war Gast gewesen in der
sagenumwobenen mediterranen Welt. Und es war eine Frau, die ihn trieb, die ihn
erfüllte, die er besaß, die er liebte - oder vielleicht auch nur zu lieben
glaubte. Diese Frau lässt ihn nicht los, ist allgegenwärtig in seiner
Erinnerung, in seinem Leben, stachelt seine Begierde an. Aber hat er diese
Schönste aller Schönen, die Helena des Aggamenon, wegen der sich die Argonauten
in gefährlichste Abenteuer einließen, wirklich je berührt, je tatsächlich
besessen. Er sieht ihr Gesicht vor sich, dieses Gesicht mit den leuchtenden
braunen Augen, deren Iris von srahlenförmigen grünen Faden durchzogen waren.
Das Lächeln ihres Mundes ist wieder da, aber ihr Körper war von verzauberter
Schwerelosigkeit, unerreichbar für ihn. Er hat dies niemals bedauert, es war
für ihn ohne Wichtigkeit.
Aber ihr Sohn, Euphorion
hatten sie ihn genannt, war doch von Fleisch und Blut wie er selbst. Oder
nicht? So kommen ihm jetzt ernüchtert die Zweifel. Euphorion - euphorisch war
er gewesen. Er spielte mit dem Mond, erhob sich über sie alle mit seiner Kraft
und Lust am Leben.
Am Ende des stummen
Dialoges legt Mephistopheles seinen Arm um die Schulter Fausts und geht mit ihm
von der Bühne. Panthyrann hat wie stets in derartigen Situationen als stiller
Beobachter abseits gestanden.